Sport ist die Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln

Wie die Ziele des Olypismus durch westliche Politik untergraben werden – eine Analyse mit einem Blick zurück auf die Wurzeln der olympischen Idee.

René Zittlau

International Olympic Committee established on 23rd June 1894, Paris, France
http://Image Source: Olympics.com

Einleitung

„Ziel des Olympismus ist es, den Sport in den Dienst der harmonischen Entwicklung der Menschheit zu stellen, um eine friedliche Gesellschaft zu fördern, die der Wahrung der Menschenwürde verpflichtet ist.

Jede Form von Diskriminierung eines Landes oder einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Politik, Geschlecht oder aus sonstigen Gründen ist mit der Zugehörigkeit zur Olympischen Bewegung unvereinbar.“

Aus der Olympischen Charta

Jeder, der sich mit der Geschichte des internationalen Sports eingehender befasst, wird der Aussage des Titels dieses Artikels zustimmen.

Es gibt unzählige Begebenheiten aus der Sportgeschichte, die diese These nicht nur im Sinne der großen Politik stützen. Gerade die kleinen, auf den ersten Blick unscheinbaren Beispiele prägten den Charakter unpolitischer, völkerverbindender Sportveranstaltungen. Dieser war nach den Vorstellungen des Gründers der modernen olympischen Bewegung, des Barons Pierre de Coubertin, ihr vornehmster Sinn.

1891 sagte er:


„Ich wollte weniger die Form als das Prinzip der mehr als tausend Jahre alten Institution erneuern, denn ich hatte in ihr für mein eigenes Land und die Menschheit etwas zur Erziehung unerlässlich Richtungsweisendes erkannt. Ich musste also die wichtigsten Säulen wiederherstellen, die ihr einst Bestand gegeben hatten: Geist und Sittlichkeit.“

Barons Pierre de Coubertin

Noch deutlicher wurde er einige Jahre später, als er 1895 äußerte:


„Aus diesem Grunde sollen die wiedererweckten Olympischen Spiele alle vier Jahre der Jugend der Welt die Gelegenheit zu einem glückhaften und brüderlichen Zusammentreffen geben, bei dem nach und nach die Unwissenheit verschwinden wird, die die Vorstellungen der einzelnen Völker voneinander prägt, diese Unwissenheit, die Hassgefühle lebendig erhält, Missverständnisse aufhäuft und die Ereignisse häufig in Richtung auf einen barbarischen und gnadenlosen Kampf sich überstürzen lässt.“

Barons Pierre de Coubertin

„[Die Völker] aufzufordern, sich zu achten, ist keine Utopie; aber um sich zu achten, muss man sich zunächst kennen.“

Quelle der Zitate: „Olympische Spiele“, Sportverlag Berlin 1975, S. 196, 197

Es lohnt, die Aussagen Coubertins noch einmal mit anderen Worten zusammenzufassen:
Der Gründer der modernen olympischen Bewegung sieht ihren Sinn darin, dass sich die Jugend der Welt regelmäßig zu fairem sportlichen Wettstreit trifft. Nicht der Wettstreit soll dabei das primäre Ziel sein, sondern das gegenseitige Kennenlernen. Er war der festen Überzeugung, dass damit Hassgefühle und Unwissenheit abgebaut und Kriege verhindert werden können.

Dieser Rückblick auf die Kinderstube der heutigen Sportbewegung ist notwendig, um die erschreckende Diskrepanz zu erkennen zwischen dem Heute und dem Gründungsmythos des Olympismus.

Die aktuelle sportpolitische Elite, also das IOC und die anderen internationalen Sportverbände, beruft sich in ihren Statuten und Dokumenten ausdrücklich auf Baron Pierre de Coubertin und die anderen Urväter der modernen Sportbewegung. Entsprechend muss die Elle ihres Handelns sich auch an deren hehren Zielen messen lassen.

Der Zustand der olympischen Bewegung als Spiegel der Weltpolitik

Die Ursprungsidee des internationalen Sports war also die Schaffung von Voraussetzungen für das gegenseitige Kennenlernen zur Entwicklung von „Geist und Sittlichkeit“. Man könnte auch sagen: Sport als Mittel der Diplomatie – also der Politik – zur Förderung gutnachbarlicher Beziehungen.

Es ist folglich ebenso möglich, im Umkehrschluss aus dem Verhalten des IOC, der FIFA und der vielen anderen internationalen Sportverbände Rückschlüsse auf den Zustand der Diplomatie und das Befinden der Welt zu ziehen.

Selbst eine oberflächliche Betrachtung der gegenwärtigen Zustände öffnet den Blick in Abgründe, die durch die Lehren der Geschichte längst überwunden geglaubt schienen.

Die Stärke der Diplomatie in einer Welt noch frischer Erinnerungen an verheerende Kriege einer inzwischen Äonen entfernt scheinenden Epoche der Menschheitsgeschichte hatte diese Abgründe jedoch „im Griff“ gehabt und nur kleine Ausschläge zugelassen.

Wer im Laufe seines Lebens gelernt hatte, den Titel dieses Artikels positiv zu konnotieren und im Heute des laut Definition völlig unpolitischen Sportbetriebs etwas tiefer schürft, erschrickt beim Betrachten der Realitäten. Denn die aktuellen sportpolitischen Entscheidungen belegen leider, dass diese dunklen Gedanken nie gänzlich verschwunden waren und heute erneut traurige Auferstehung feiern.

Daraus ergeben sich Fragen wie z.B. diese:
Was ist los mit dieser Welt?
Wie konnte das geschehen?
Will die Olympiade im Paris des Jahres 2024 der von Berlin des Jahres 1936 den Rang ablaufen?

Im Berlin des Jahres 1936 grüßten die Teilnehmer laut Satzung des IOC den deutschen Führer mit dem deutschen Gruß. Eine Unterwerfungsgeste von symbolischer Bedeutung.

Einmarsch der Mannschaften: Hier zieht das Olympiateam von Mexiko in das Stadion ein. Laut IOC-Satzung mussten alle Teilnehmer vor Hitlers Ehrenloge grüßen. Nicht nur die Zuschauer, auch die Teilnehmer waren von der Atmosphäre im Stadion beeindruckt. «Ohne Unterbrechung tobte und schrie und jubelte uns eine Menschenmasse von über 100.000 zu», schrieb Fritz Roller, der Betreuer der österreichischen Boxer, an seine Frau. «Der Atem blieb uns aus, so gerührt waren wir alle.» Quelle: Spiegel

Paris – Olympia 2024

Was droht in Paris? Ein „französischer Gruß“ ist nicht in Sicht. Das heißt jedoch nicht, dass keine Unterwerfungsgesten gefordert werden. Sie werden gefordert. In einer Art und Weise, die den friedlichen, unpolitischen sportlichen Wettstreit in seiner Idee bereits vor Beginn der Olympischen Spiele ad absurdum führen. Die einen werden gedemütigt werden. Die anderen mit der als Selbstverständlichkeit verkauften und geforderten Unterstützung dieser Demütigung missbraucht … und damit ebenfalls gedemütigt.

Damit auch nicht ein Hauch von Zweifel bleibt, welche Haltung das offizielle Frankreich gegenüber russischen Sportlern einnimmt – und um diese Achse dreht sich sportpolitisch derzeit alles – lässt die Bürgermeisterin von Paris schon mal vorab verlauten: Sie hoffe, dass russische Athleten nicht an den Olympischen Spielen in Paris teilnehmen dürfen, auch nicht unter neutraler Flagge. Sie ließ auch keinen Zweifel daran, dass sie bei der Eröffnungsfeier am 26. Juli nicht willkommen sein werden.

Äußerungen und Teilnahmeregeln dieser Art lassen leider sehr wohl Erinnerungen an die Olympiade im Berlin des Jahres 1936 aufkommen.

Verbot der Teilnahme aus politischen Gründen

Nach dem Beginn der Kampfhandlungen in der Ukraine zog der sogenannte kollektive Westen innerhalb von wenigen Tagen ein Feuerwerk an Sanktionen gegen Russland ab. Dabei zeigte sich so ganz nebenbei für alle Welt, wohin die Abhängigkeit praktisch aller internationalen Organisationen und Institutionen von immer denselben sieben westlichen Staaten in Krisenzeiten führt.

So folgte auch das IOC dem Ruf der westlichen Politik und ihres Geldes und verbot zunächst die Teilnahme russischer und weißrussischer Sportler an den Olympischen Spielen in Paris 2024. Im Laufe des Jahres 2023 modifizierte es sein Verbotsverdikt dahingehend, dass es Einzelsportlern aus Russland und Weißrussland erlaubte, unter bestimmten Bedingungen an den Spielen teilzunehmen. Es gab ganz offensichtlich erheblichen Streit in der „Olympischen Familie“ zu diesem Thema.

Wie tief auch im internationalen Sport die Gräben inzwischen sind, ist erst auf den zweiten Blick ersichtlich. So titelt der Spiegel am 21.02.2023:

«Wie sich das IOC in der Russlandfrage isoliert
In Russland und Belarus sind Sport und Politik eng miteinander verwoben: 35 Nationen wehren sich gegen Pläne von IOC-Präsident Thomas Bach, russische Sportler zu den Olympischen Spielen in Paris zuzulassen.“

Quelle: Spiegel

Was so scheinbar überzeugend klingt, hat nicht nur einen gewaltigen Pferdefuß. Laut den Statuten des IOC können Mitglieder des IOC nur die jeweiligen Nationalen Olympischen Komitees (NOK) werden.  Wenn sich „35 Nationen wehren“, so ist offensichtlich gemeint, dass eine bestimmte Zahl von NOK dem Druck der jeweiligen politischen Führung des Landes ausgesetzt ist, deren politischen Zielen innerhalb des IOC Nachdruck zu verleihen. Womit also klar ist, dass nicht nur in Russland und Weißrussland die Politik auf den Sport Einfluss nimmt.   

Allerdings sind 35 NOK keine Mehrheit. Nach Daten des IOC gibt es 206 Nationale Olympische Komitees. Das wiederum bedeutet, dass die durch den Westen durchgesetzte politische IOC-Entscheidung gegen die Teilnahme Russlands und Weißrusslands an den Olympischen Spielen wohl international nicht eine derart große Unterstützung findet, wie die großen westlichen Medien uns weißzumachen versuchen.

Denn, wenn einer der Gründe, warum russische Sportler an der Olympiade in Paris nicht teilnehmen dürfen, die Tatsache des Ukraine-Krieges ist, dann müssten fairerweise alle NOK von der Olympiade ausgeschlossen werden, deren Staaten gerade Krieg führen, also auch und gerade z.B. Israel. Zumal im Falle Israels der gerichtliche Vorwurf des Völkermords im Raum steht. Doch die israelischen Sportler sind laut dem französischen Präsidenten Macron ausdrücklich willkommen.

Es stellt sich zwingend und mit aller Berechtigung ebenso die Frage, wann die USA seit Gründung der Olympischen Bewegung überhaupt hätten an friedlichen Olympischen Spielen teilnehmen dürfen. Denn es gab so gut wie kein Jahr seit den ersten Spielen 1896 in Athen, in dem sie nicht irgendwo auf der Welt ein andres Land angriffen. Aktuell sind der Jemen, aber auch Syrien und der Irak zu nennen.

Bedingungen der Teilnahme in Paris

Es ist sehr erhellend, sich die Teilnahmebedingungen für die russischen und weißrussischen Sportler zu vergegenwärtigen.
So ist, wie bereits erwähnt, die Teilnahme von Einzelsportlern unter Bedingungen erlaubt, die von Mannschaftssportlern jedoch nicht. Das hat Methode. Jeder, der schon einmal mit einer Mannschaft einen Sieg errungen hat, weiß um seine euphorisierende Wirkung. Ein solcher Sieg erzeugt ein ungemein stärkendes Zusammengehörigkeits- und Zugehörigkeitsgefühl. Stellen wir uns mal vor, Russland gewänne bei Olympia die Goldmedaille im Volleyball der Männer. Die Welt würde sehen, da stehen Menschen wie du und ich.

Also wurden Mannschaften verboten.

Bei den russischen Einzelsportlern gibt es eine feine, aber wichtige Ausnahme: Eine Teilnahme ist ohne jedwede Alternative automatisch ausgeschlossen, wenn der Sportler bei militärischen Strukturen unter Vertrag steht, also bei Polizei oder Militär.

Damit stellt das IOC unbelegt in den Raum, dass die Sportler irgendeinen Einfluss auf die Militärpolitik ihres Landes hätten. Das ist natürlich Blödsinn. Mit dieser Bedingung trifft man jedoch eine große Zahl von Sportlern, und das war das Ziel. Denn in Russland werden traditionell sehr viele von ihnen auf diese Weise sozial abgesichert, ohne auch nur ansatzweise in militärische Strukturen integriert zu sein.

Ähnliches gilt bekanntermaßen für Deutschland. Würde diese Bedingung auf deutsche Einzelsportler angewendet werden, also z.B. auf die sogenannten Sportsoldaten, so hätte Deutschland Mühe, bestimmte Sportarten überhaupt zu besetzen.

Für die neutralen Athleten bei Olympia 2024 schreibt das IOC eine bestimmte neutrale Kleidung vor. Ich möchte an dieser Stelle die völlig aus dem Ruder laufenden „Bemühungen“ nicht unerwähnt lassen, das Design dieser Kleidung so zu gestalten, als käme der Sportler geradewegs aus dem Schlachthaus. Ein tschechisches Journal tat sich an dieser Stelle besonders hervor und ließ per künstlicher Intelligenz seinen Vorstellungen von Anstand und Würde freien Lauf.  

Diese Bemühungen hatten keinen Erfolg, wohl aber das Verbot der Teilnahme an der Eröffnungs- und Abschlussfeier. Dafür gibt es keine andere plausible Begründung als die bewusste Demütigung der betroffenen Sportler und ihrer Nationen.

Das schändliche politische Spiel des IOC zusammengefasst in einer Bedingung

Kommen wir nun zu der Hauptbedingung für die Teilnahme russische Sportler an Olympia im Paris des Jahres 2024.

Um teilzunehmen müssen sie sich von der russischen Politik distanzieren. Dazu muss jeder Sportler eine Erklärung unterschreiben, dass er die russische Militäroperation in der Ukraine verurteilt. Die genaue Formulierung dieses „Dokuments“ ist noch nicht öffentlich.

Wie heißt es doch in der Olympischen Charta:
„Jede Form von Diskriminierung eines Landes oder einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Politik, Geschlecht oder aus sonstigen Gründen ist mit der Zugehörigkeit zur Olympischen Bewegung unvereinbar.“

Welche perfiden Strategien das IOC nicht nur aber ganz besonders mit dieser Bedingung verknüpft und wie es die Kontrolle zu organisieren gedenkt, darauf kommen wir weiter unten zu sprechen.  

Ein IOC-Schulungsprogramm – nur für Russen

Unter seinem deutschen Chef Thomas Bach hat der Hass auf alles Russische ein in der Geschichte des IOC bis heute ungekanntes Maß angenommen. Das Niveau unterschreitet jegliche Norm und widerspricht der olympischen Charta.

So findet sich auf der Homepage des IOC eine „Sammlung von Schulungsaufgaben“ – ausschließlich auf Russisch. Dahinter verbergen sich auf 60 Seiten „Übungen zur Vermittlung olympischer Werte“.

Nun gut, warum nicht, kann man sagen. Es gibt jedoch mehrere Aber:
Zum einen sind die offiziellen Sprachen des IOC Englisch und Französisch. Entsprechend ist die ganze Webseite in diesen beiden Sprachen erstellt. Warum dann allein dieses Dokument auf Russisch?

Diese „Übungen“ sind ausschließlich auf Russisch verfasst worden, d.h. es gibt in einer anderen Sprache nichts Vergleichbares auf der Webseite des IOC. In Französisch oder Englisch gibt es maximal kurze Hinweise auf das Thema, z.B. hier.

Das russische Übungsprogramm ist zudem so aufgebaut, dass sich beim Lesen unweigerlich ein Gefühl der Erniedrigung und subtilen Verachtung beim Adressaten aufbaut. Das gesamte Werk ist in einem arrogant belehrenden Duktus abgefasst.

Es war wohl das Ziel des IOC, die russische Sportbewegung, die über die Jahrzehnte hinweg stets die Olympische Bewegung maßgeblich mitgeprägt hat, mit diesem Dokument vor der gesamten Sportwelt lächerlich zu machen.

Ein Interview mit einem „afrikanischen Politiker“

Quelle: Telegram

Das obige Standbild stammt aus einem Interview, das zwei russische Prankster, „Wowan“ und „Lexus“, zunächst mit dem IOC-Chef Thomas Bach und dann gemeinsam mit dem EU-Vizepräsidenten, dem Griechen Margaritis Schinas, führten. Letzterer ist in der EU unter anderem verantwortlich für Fragen des Sports und der Migration.

Hinter „Wowan“ verbirgt sich Wladimir Kusnezow und „Lexus“ ist der Künstlername von Alexej Stoliarow. Beide rufen immer wieder öffentlich bekannte Persönlichkeiten unter einer fiktiven Identität an, um Intentionen ihres Handelns offenzulegen. Ziel sind sowohl Personen des russischen als auch internationalen öffentlichen Lebens. Greta Thunberg wurde z.B. ebenso von ihnen „interviewt“ wie auch Justin Trudeau oder Christine Lagarde.   

Oben links im Standbild sehen wir IOC-Chef Thomas Bach, oben rechts den EU-Vizepräsidenten Margaritis Schinas. Unten sehen wir „Lexus“ in der Rolle eines „hochgestellten afrikanischen Politikers“. Das Video selbst  wurde am 2. April 2024 veröffentlicht. Möglicherweise kennt der ein oder andere Leser Teile des Interviews bereits. Es legt die westliche Politik und somit auch die Politik des IOC in einer Weise offen, wie sie eben nur hinter verschlossenen Türen kommuniziert wird. Der Inhalt selbst überrascht wenig. Überraschend ist jedoch die an Naivität grenzende Offenheit in den Aussagen des Juristen Thomas Bach gegenüber einem ihm völlig unbekannten „afrikanischen Politiker“.

Das Ziel dieses „Videostreichs“ bestand wohl darin, den IOC-Chef aus der Reserve zu locken hinsichtlich der Teilnahme russischer Sportler an der Olympiade in Paris und der Haltung des IOC zu den von Russland einberufenen Freundschaftsspielen im Sommer 2024 in Moskau und Jekaterinburg. Zu beiden Themen äußerte sich der IOC-Chef in brutaler Klarheit. Ausgehend vom Ergebnis bleibt nur festzustellen: Ziel erreicht.

Zu den Freundschaftsspielen in Russland sagte Thomas Bach dem „hochgestellten afrikanischen Politiker“ wörtlich:


Wir sind kategorisch gegen diese Spiele. Wenn Sie mit Ihrem Ansehen etwas in Bezug auf die afrikanischen Staaten tun könnten, wären wir Ihnen sehr, sehr dankbar.»

Er wäre nicht Vertreter des Westens, wenn er den „Afrikanern“ nicht drohen würde für den Fall einer Teilnahme an den Spielen in Russland:


„Aber in diesem Zusammenhang müssen sie sich darüber im Klaren sein, dass sie durch ihre Teilnahme an diesen Freundschaftsspielen eine Partei ergreifen. Das könnte Risiken mit sich bringen, zum Beispiel für die Olympischen Spiele.»

Was die Olympiade in Paris betrifft, so verbirgt der IOC-Chef im Interview keineswegs, dass die Sportsanktionen ausschließlich politischen Charakter haben, im Gegenteil:


«Wir bestrafen die Verantwortlichen für die Annexion, es darf keine russische Hymne gespielt werden, die Flagge darf nicht gehisst werden. Das Russische Olympische Komitee hat, nachdem wir es suspendiert hatten, einige ziemlich aggressive Erklärungen abgegeben, dass dies Diskriminierung und Faschismus sei.“

IOC-Präsident Bach gab unumwunden zu, er habe die russischen Athleten mit Hilfe von Internet-Tracking überprüft und sei dabei unter anderem von Ukrainern unterstützt worden:


«Wir haben eine spezielle Überwachungskommission. Und sie überwachen das Internet, die Medien und öffentliche Äußerungen. Wir haben der ukrainischen Seite auch angeboten und nicht nur angeboten, sondern auch gebeten, uns ihre Informationen über das Verhalten solcher Athleten oder Funktionäre zur Verfügung zu stellen.»

Mit diesem Vorgehen hat sich das IOC hinsichtlich Fairness und Unparteilichkeit selbst disqualifiziert und klargestellt, dass seine Charta der derzeitigen IOC-Führung nichts bedeutet.

Und dann brüstete der IOC-Chef Bach sich sogar mit den «schmutzigen Taten» der Politisierung des Sports:


«Letztes Jahr, vor den letzten BRICS-Spielen in Südafrika, haben wir dafür gesorgt, dass sie keine Resonanz in der Welt des Sports haben.»

Ein Sportverband widersetzt sich dem Diktat des IOC

Der einzige Russe, den Thomas Bach ernsthaft zu fürchten scheint, ist der Chef des Internationalen Amateur-Boxverbandes IBA, Umar Kremlev. Diesem Verband entzog das IOC 2023 seine Anerkennung. Der IOC-Chef begründete diese Entscheidung gegenüber seinem „hochrangigen afrikanischen Gesprächspartner“ wortwörtlich so:


«Er ist ein korrupter Typ. Deshalb mussten wir diesen internationalen Verband ausschließen.»

Der wahre Grund ist sehr viel einleuchtender. Dеr IBA unter Führung von Umar Kremlev verweigerte sich den vom IOC geforderten Sanktionen gegen Russland und Weißrussland. Der Ausschluss war die Folge dieser mutigen Entscheidung.

Noch einmal klar und deutlich:
Das IOC schloss den Boxverband IBA aus, weil dessen Präsident sich an die in der Olympischen Charta verankerten Regeln hielt, nicht auf Grund von nachgewiesenen Vergehen.

Und so nahmen russische Sportler konsequenterweise gleichberechtigt und mit allen Ehren an den Europameisterschaften im Boxen der IBA teil, die im April 2024 im serbischen Belgrad stattfanden.

Es sind Bilder wie diese, die das unter westlicher Kuratel stehende IOC unter Thomas Bach und die westliche Politik fürchten.

Quelle: KP.ru
Quelle: Match.ru

Das erste zeigt russische Fans bei der Siegerehrung von Julia Tschumgalakowa bei der Box-EM in Belgrad. Das zweite zeigt Julia Tschumgalakowa selbst. Es war nicht nur ihr Sieg, der sie zu Tränen rührte. Bei der Siegerehrung, bei der selbstverständlich auch die russische Hymne gespielt wurde, fiel die Technik aus, so dass die Hymne nur ca. 20 Sekunden erklang. Die Tränen konnte sie nicht zurückhalten, als in Folge dessen das Publikum die Hymne a capella sang.

Frage an unsere deutschsprachigen Leser: Können Sie sich das bei einem deutschen, schweizerischen oder österreichischen Sieg vorstellen, beim Boxen der Frauen?

Der Verweis auf russische Quellen in diesem Zusammenhang ist nicht zufällig. Im deutschsprachigen Internet und auch in der englischsprachigen Version von google fand die Box-EM von Belgrad vom 15.-29. April 2024 keinerlei ernsthafte Erwähnung. Sie fand praktisch nicht statt – ein Beleg für das Zusammenspiel von IOC und großer Politik in Aktion und auch dafür, dass der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen staatsvertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt.

Insgesamt errangen russische Sportler in Belgrad 20 Medaillen, 11 goldene, acht silberne und eine bronzene.

Der Chef des IOC disqualifiziert sich selbst

Wohl den Tiefpunkt des Interviews mit Thomas Bach und Margaritis Schinas stellt die Szene dar, die das obige Standbild repräsentiert. Die ganze Hybris und Surrealität des Gesprächs kulminieren in ihr. Der „hochrangige afrikanische Politiker“ bittet aus Tradition und Respekt vor den „Heiligen Wowan und Lexus“ die Hand aufs Herz zu legen und dafür zu beten, dass die russischen „Spiele der Freundschaft aufhören“.

Und der hohe Vertreter des internationalen Sports und der hohe Vertreter der europäischen Politik folgen dem „Ritual“ ohne zu zögern.

Auch das noch einmal in Zeitlupe:
Der deutsche Jurist und IOC-Chef Thomas Bach und der griechische Vize-EU-Präsident Margaritis Schinas, seines Zeichens ebenfalls Jurist, beten auf Bitte eines ihnen völlig unbekannten (!!) afrikanischen „hochrangigen (!!) Politikers“ die (russischen) „Heiligen Wowan und Lexus“ an … Was für ein Kino.

Die offizielle russische Position zur Teilnahme russischer Sportler an der Olympiade von Paris

Natürlich wollen die russischen wie alle anderen Sportler an Olympischen Spielen teilnehmen. So wie ihre Konkurrenten haben sie Jahre dafür trainiert und für viele ist es eine einzigartige Chance im Leben.

Die Enttäuschung über die sportpolitische Lage ist zu spüren, man findet in den russischen Medien Äußerungen für und gegen eine Teilnahme. Allein diese Konstellation ist wohl für das IOC und weite Kreise der westlichen Öffentlichkeit nicht zu verstehen. Man rechnete ganz sicher mit einem großen Aufschrei im russischen Sport. Gleichwohl fand ein solcher so nicht statt, zumindest nicht im Sinne des IOC.

Doch das ist nicht alles. Die russische Staatsführung intervenierte nicht einmal, um eine Teilnahme russischer Sportler an der Olympiade zu verhindern. Im Gegenteil. Denen, für die eine Teilnahme selbst unter den genannten Bedingungen – die obige Auflistung ist nicht abschließend – dennoch in Frage kommt, stellt es die russische Führung frei, nach Paris zu fahren.

Der Assistent des russischen Präsidenten, Igor Lewitin, äußerte sich zu dieser Frage vor wenigen Tagen gegenüber der russischen Nachrichtenagentur TASS. Mit seiner Mitteilung stellte er zudem einige sportpolitische Fakten vom Kopf auf die Füße, indem er sagte:


„Die Olympischen Spiele sind nicht die Olympischen Spiele der Länder, sondern der Sportler. Die Position hier ist, dass es das Recht eines jeden Athleten ist, und wenn ein Athlet sich entscheidet, zu den Olympischen Spielen zu fahren, fährt er als neutraler Athlet dorthin.“

Igor Lewitin

Gleichzeitig machte Igor Lewitin unmissverständlich klar:


„Aber das Wichtigste ist, dass er keine Dokumente unterschreiben sollte, die die Arbeit der Jungs da draußen an der Front diskriminieren».

Igor Lewitin

Das war ein sehr klarer Hinweis auf die russische Rechtslage. Niemand hat die Erklärung bisher gesehen, die russische Sportler bei einer Teilnahme zu unterschreiben haben. Die bisherigen Äußerungen des IOC legen jedoch die begründete Vermutung nahe, dass eine Unterschrift unter dieses Dokument eine Konfrontation mit russischen Rechtsnormen erwarten lässt.

Abschließendes

Sport und Politik lassen sich nicht voneinander trennen. Über mehr als 120 Jahre ihrer Existenz hat die moderne olympische Bewegung auch sehr schwierige Zeiten überlebt. Und nach den verheerenden Kriegen des letzten Jahrhunderts war sie ganz im Sinne von Baron de Coubertin ein sehr wirksames Mittel, einander wieder näherzukommen und Vertrauen aufzubauen.

Die heutigen sportpolitischen Entwicklungen lassen sich nicht losgelöst von der großen Politik betrachten. Der ehemalige britische Diplomat Alastair Crooke sagte mit Blick auf die jüngsten Angriffe Israels auf das iranische Konsulat in Damaskus:


„Israels Ziel ist es […], die Normen, Konventionen und Gesetze der Kriegsführung zu zerstören; eine geopolitische Anarchie zu schaffen, in der alles möglich ist“.

Alastair Crooke

Es sind dieselben Ziele, dieselben Methoden, die die USA im Falle Israels kreierten, decken und durch ihr Handeln erst ermöglichen, mit denen die westlichen Länder unter Führung der USA über die Jahrzehnte ein weltweites Einflusssystem aufbauten, mit dem sie alle Bereiche des internationalen Lebens systematisch unter ihre Kontrolle zu stellen versuchten. Das haben sie über politische, ökonomische und finanzielle Hebel auch weitgehend erreicht. Der Sport ist ein nicht unbedeutendes Glied in dieser Kette.  

Dennoch, wir leben in einer Zeit, in der sich alte Gewissheiten des Westens in großer Geschwindigkeit in Auflösung befinden und Neues seinen Platz sucht und finden wird. Der Sport wird dabei wie schon so oft eine positive, friedliche und völkerverbindende Rolle spielen.

Bernd Stange, bis 1988 Trainer der DDR-Fußball-Nationalmannschaft und später u.a. auch in Syrien tätig, sagte einmal in einem Interview:


„Fußball ist Frieden, hat eine Botschaft und kann mehr bewirken als Jahre der Diplomatie.“

Bernd Stange
Sport ist die Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln

14 Kommentare zu „Sport ist die Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln

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