Präsident Putin am 13. März im Interview mit Dmitri Kiselev

Präsident Putins sehr umfassendes Interview muss man gelesen haben. Ein neuer Autor analysiert die Kernpunkte und hat das gesamte Interview auf Deutsch übersetzt. – Wir stellen Andreas Mylaeus kurz vor.

Andreas Mylaeus

Präsident Putin im Interview mit Dimitri Kiselev

Vorstellung unseres neuen Autors

Es ist mir eine ganz besondere Freude, unseren Lesern einen neuen Autor vorzustellen.

Kosmopoliten haben es einfacher, Geopolitik zu verstehen und Studien auf verschiedenen Gebieten schärfen das Auge zusätzlich – Beides trifft auf Andreas Mylaeus zu.

1950 in Deutschland geboren, verbrachte er 1968/1969 bereits als Gymnasiast ein Jahr in North Carolina. Nach dem Abitur studierte er in Freiburg, Köln und München Jura und schloss die zweite Juristische Staatsprüfung 1980 in München ab.

Ab 1979 studierte er an der Universität Zürich Psychologie und Psychopathologie, und schloss dieses Studium 1984 mit dem Lizentiat ab.

1983 promovierte er (Dr. iur.) in München und führte danach zwischen 1984 und 1995 eine eigene psychologische Beratungspraxis in Zürich.

Nachdem er 1995 nach München übersiedelte arbeitete er als Partner in einer Anwaltskanzlei in München, ab 2006 als Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.

Seit 2015 ist er freier Analyst für internationale Beziehungen und Referent für zeitgeschichtliche Fragen. Hobbys (neben den Enkelkindern, die Priorität haben): Modelleisenbahn und Hochseesegeln.

Dr. Andreas Mylaeus fröhnt seinem Hobby

Ja, und noch etwas, ich kenne genau einen Deutschen, welcher Zürcher Mundart spricht, wie ein Schweizer, ohne einen Hauch eines Akzents: Andreas Mylaeus.

Wir sind stolz, einen solch gebildeten und scharfsinnigen Autor bei uns zu haben und hoffen, dass er auch in Zukunft regelmässig für uns schreibt.

Im Interview vom 13. März gibt Präsident Putin über zahllose Aspekte Russlands eine Übersicht: Seiner Politik, Krieg, Friedensverhandlungen, Waffen, BRICS, Gesellschaft, Steuererhöhungen, Strassenprojekten, seiner Studienzeit, seinem Beginn als Präsident und vieles mehr: Ein Leckerbissen.

Peter Hänseler

Andeas Mylaeus greift einen zentralen Punkt des Interviews heraus

Dieses Interview ist so gehaltvoll, dass eine Einleitung dazu schwer ist. Ich greife daher den für mich persönlich zentralen Punkt heraus:

Dmitri Kiselev sagt, Russland stehe derzeit am Scheideweg.

Wladimir Putin widerspricht ihm: “Russland befindet sich nicht am Scheideweg. Es befindet sich auf dem strategischen Weg seiner Entwicklung und wird von diesem Weg nicht abweichen.”

Kiselev spricht dann von “einer neuen Qualität der russischen Gesellschaft”, die sich “herausgebildet” habe.

Putin widerspricht erneut: “Sie [die neue Qualität] war schon da, sie hat sich nur manifestiert. Und es ist sehr gut, dass wir dieser tiefgründigen russischen Gesellschaft die Möglichkeit gegeben haben, sich zu äußern. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen schon lange darauf gewartet haben, dass ein durchschnittlicher Mensch vom Land und vom Staat gefragt wird und dass das Schicksal des Landes von ihm abhängt. Es ist dieses Gefühl der inneren Verbundenheit mit dem Mutterland, mit dem Vaterland, der eigenen Wichtigkeit bei der Lösung von Schlüsselaufgaben, in diesem Fall im Bereich der Sicherheit, das die Stärke des russischen und anderer Völker Russlands an die Oberfläche gebracht hat.”

Kiselev spricht dann weiter davon, Wladimir Putin spiele diesbezüglich nicht nur in Russland, sondern auch in der Welt eine Schlüsselrolle, “denn Milliarden von Menschen verbinden mit Ihnen die Hoffnung auf internationale Gerechtigkeit, auf die Verteidigung der Menschenwürde, auf den Schutz der traditionellen Werte”. Putin führt dieses “Phänomen”, dass viele Menschen in der Welt auf uns [Russland] schauen, “auf das, was in unserem Land und in unserem Kampf für unsere Interessen geschieht” nicht darauf zurück, dass Russland formell Mitglied der BRICS ist oder weil Russland eine Art traditioneller Beziehungen zu Afrika hat. Das sei auch wichtig, aber der Punkt ist seiner Meinung nach ein ganz anderer: “Es geht darum, dass diese so genannte ‘goldene Milliarde’ seit Jahrhunderten, seit 500 Jahren, praktisch die anderen Völker parasitiert hat. Sie haben die unglücklichen Völker Afrikas zerrissen, sie haben Lateinamerika ausgebeutet, sie haben die Länder Asiens ausgebeutet, und das hat natürlich niemand vergessen. Ich habe das Gefühl, dass es nicht einmal die Führung dieser Länder ist, obwohl das sehr wichtig ist, sondern die einfachen Bürger dieser Länder spüren in ihren Herzen, was geschieht. Sie verbinden unseren Kampf für unsere Unabhängigkeit und wahre Souveränität mit ihrem Streben nach ihrer eigenen Souveränität und unabhängigen Entwicklung.”

Kiselev fragt Putin dann, warum es “der westlichen Propaganda mit all ihrer Macht, ihren kolossalen Mitteln und Werkzeugen nicht gelungen ist, Russland zu verbannen, zu isolieren und ein falsches Bild von ihm zu zeichnen, obwohl sie sich in den Köpfen von Milliarden von Menschen darum bemüht hat? Wie konnte das geschehen?” Putin antwortet: “Weil das, was ich gerade gesagt habe, für die Menschen wichtiger ist. Die Menschen auf der ganzen Welt spüren es in ihren Herzen. Sie brauchen nicht einmal pragmatische Erklärungen für das, was geschieht.”

Hier zeigt sich ein Menschenbild, das sich grundlegend von dem unterscheidet, was in der westlichen liberalistischen Unkultur grassiert: Dem Menschen ist nicht zu trauen, wenn man ihm seinen Willen lässt, läuft er jedem dahergelaufenen Populisten nach – der Mensch muss zu seinem eigenen Glück gezwungen werden (wobei es bei dem angeblichen “eigenen” Glück in Wahrheit um das Glück der Parasiten geht).

Aus anthropologischer Sicht kann man die Erklärung für das Phänomen, das Putin hier anspricht, so fassen: Die Menschen spüren in ihren Herzen, dass Hoffnung aufkeimt, wenn sie ihrer Sozialnatur entsprechend behandelt werden – wenn also Verhältnisse geschaffen werden, die es erlauben, dass sich diese Sozialnatur entfalten kann. Der Begriff für eine “neue Qualität der russischen Gesellschaft” [und das gilt aus meiner Sicht für jede Gesellschaft], die sich nach Putin nicht neu bildet, sondern – in entsprechend günstigen Verhältnissen – manifestieren kann, ist eine Erscheinungsform dessen, was in der Theorie von Alfred Adler mit dem Begriff “Gemeinschaftsgefühl sub specie aeternitatis” gefasst ist.

Der Mensch ist von Natur aus sozial (sonst hätte diese körperlich schwache Spezies die Evolution nicht überlebt). Sein Problem ist “nur”, dass seine soziale “Natur” durch die Erziehung in der Kultur, in der er aufwächst, verformt werden kann. So kann leider aus einem “Menschen” unter ungünstigen Bedingungen ein “Unmensch” werden.

Die BRICS Länder und der sogenannte globale Süden – und andere – (mit all ihren unterschiedlichen, teilweise durchaus nicht nur menschenfreundlichen politischen Eliten) sind daran, Bedingungen zu schaffen, in denen diese Sozialnatur des Menschen günstigere Verhältnisse vorfindet als bisher. Soweit die Menschen Hoffnung schöpfen, dass dieses Projekt gelingen könnte, können sich dabei darauf verlassen, dass sie “in ihren Herzen spüren”, dass dies ihrer eigenen Natur entspricht. Gegen diese urwüchsige Macht können die Parasiten auf Dauer nicht bestehen. Sie wissen das und um so ohnmächtiger und um so brutaler versuchen sie, “zu retten, was nicht zu retten ist”.

Hier zur deutschen Übersetzung des Interviews

Präsident Putin am 13. März im Interview mit Dmitri Kiselev

5 Kommentare zu „Präsident Putin am 13. März im Interview mit Dmitri Kiselev

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