Umsiedlung von Ausländern nach Russland im 18. Jahrhundert und heute

Die deutschstämmige Zarin Katharina II., die im Juli 1762 an die Macht kam, begann ihre Kolonisierungspolitik des Russischen Reiches mit einem Dekret an den Senat vom 14. Oktober 1762, in dem sie den Senat ermächtigte, zusammen mit dem Kollegium für auswärtige Angelegenheiten alle Personen aufzunehmen, die sich in Russland niederlassen wollten, und hoffte, dass dies mit der Zeit den Wohlstand des Reiches steigern würde.

Karl Eckstein

Die Geschichte wiederholt sich – Katarina die Grosse – Vladimir Putin

Einleitung

Am 4. Dezember 1762 unterzeichnete sie das Manifest «Über die Erlaubnis für Ausländer in Russland zu siedeln und über die freie Rückkehr von russischen ins Ausland gelaufenen Menschen in ihr Vaterland» (das s.g. 1. Einladungsmanifest). 

In diesem Dokument wurden die Grundprinzipien der Politik der neuen Führung Russlands erklärt: die mütterliche Sorge um den Frieden im Lande und die Vermehrung der Bevölkerung. Dabei rechnete Katharina II. nicht mit einem sofortigen Zustrom von Kolonisten nach Russland. Die staatliche Struktur zur Aufnahme von Ausländern war noch nicht festgelegt, und auch die Orte für ihre Ansiedlung waren noch nicht rechtlich fixiert. Ohne dies machte es keinen Sinn, grossangelegte Einwerbung von Ausländern zu beginnen.

Warum vor allem Deutsche nach Russland umsiedelten

Die massenhafte Umsiedlung von Ausländern nach Russland begann, nachdem Katharina II. am 22. Juli 1763 das Manifest „Über die Erlaubnis für alle Ausländer, die nach Russland kommen, sich in den Gouvernements niederzulassen, wo es ihnen gefällig ist, und über die ihnen gewährten Rechte“ (das s.g. 2. Einladungsmanifest) erlassen hatte.

Dieses Manifest, das auf Russisch, Deutsch, Latein, Französisch, Englisch, Niederländisch, Polnisch, Tschechisch, Türkisch und Arabisch veröffentlicht wurde, war kein völlig neues Dokument. Es war eine organische Fortführung des Manifests vom 4. Dezember 1762. Das Manifest liess sich in zwei Teile gliedern: Im ersten Teil (Absätze 1-5) wurde der Mechanismus der Umsiedlung nach Russland erläutert, im zweiten Teil (Absätze 6-10) wurden die den Umsiedlern, die den Eid treuer Untertanenschaft leisten würden, von der Kaiserin gewährten Vorteile und Privilegien beschrieben.

Beratung über die Ansiedlung von Deutschen – zeitgenössische Darstellung

Diese waren beispiellos:

kostenloser Erhalt von freiem fruchtbarem Land in speziell ausgewiesenen Gebieten,

Steuerbefreiung für 30 Jahre (im Falle der Ansiedlung in Städten – für 5 Jahre),

zinslose Darlehen für 10 Jahre zum Bau eines Hauses, zum Kauf von Lebensmitteln bis zur ersten Ernte, von Vieh, landwirtschaftlichen Geräten und Werkzeugen für Handwerker (nach Ablauf dieser Frist war das Darlehen in gleichen Raten über drei Jahre zurückzuzahlen),

Erstattung der Reise- und Verpflegungskosten,

Zahlung der Umsiedlungskosten zu Lasten der russischen Staatskasse sowie Ausgabe von Reisegeld bei der russischen Botschaft im Ausland im Falle des Mangels an ausreichenden Mitteln für Umzug,

kostenlose Beförderung zum Ort der Ansiedlung nach Ankunft in Russland,

zollfreie Umfuhr des persönlichen Eigentums,

Befreiung vom Militär- und Zivildienst (ausser dem Land-Dienst),

Erhöhung des Gehalts bei Eintritt in den Militärdienst auf Antrag des Siedlers,

im Falle der Errichtung von Fabriken und Betrieben mit bisher unbekannter Produktion in Russland – Befreiung von Binnen-, Hafen- und Grenzzöllen für 10 Jahre beim Verkauf der dort produzierten Waren ins Ausland,

das Recht, Kolonien und Siedlungen zu gründen,

die Bewahrung der Lebensweise,

die Religionsfreiheit und das Recht, in den Kolonien eigene Kirchen mit der erforderlichen Anzahl von Pfarrern und anderen kirchlichen Mitarbeitern zu bauen,

volle Selbstverwaltung in den Kolonien, ohne Einmischung von Regierungsbeamten in die Organisation des inneren Lebens der Kolonien,

die Erlaubnis, in den Kolonien Handel und Messen zu veranstalten, ohne Abgaben auf den Umsatz an die Staatskasse zu erheben,

das Recht, Russland jederzeit zu verlassen, unter der Bedingung, dass die Hälfte des in Russland erwirtschafteten Vermögens an die Staatskasse abgegeben wird, wenn man in Russland ein bis fünf Jahre gelebt hatte. Diejenigen, die hier länger als fünf Jahre lebten, mussten ein Zehntel abgeben.

Die oben erwähnten Vorteile und Privilegien wurden nicht nur den ankommenden Kolonisten gewährt, sondern auch ihren in Russland geborenen Nachkommen. Nach dem Ende der günstigen Jahre mussten Ausländer, die sich in Russland niederliessen, wie andere Untertanen Steuern zahlen.

Von 1763 bis 1766 zogen mehr als 30 Tausend Menschen nach Russland.

Umsiedlungen von Deutschland nach Russland

Am Ende des 18. Jahrhunderts betrug die Zahl der Deutschen laut der Revision von 1796 237.000 Menschen (0,3% der Gesamtbevölkerung des Russischen Reiches). Bei der ersten allgemeinen Volkszählung im Jahr 1897, bei der die Religion und die Sprache, nicht aber die Nationalität angegeben wurde, belief sich die mehr oder weniger genaue Zahl der Menschen im Russischen Reich, die Deutsch sprachen und Deutsch als ihre Muttersprache betrachteten, auf 1 Million 790 Tausend.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Russland mehr als 2000 deutsche Siedlungen, die Zahl der Deutschen lag bei etwa 2 Millionen. Die Deutschen waren die achtgrösste ethnische Gruppe im Land und machten 1,4% der Bevölkerung des Reiches aus.

Diese äusserst grosszügige Einladung an Ausländer nach Russland umzusiedeln, ist vor folgendem Hintergrund zu betrachten:

Soeben war der siebenjährige Krieg – wo unter anderen auch Russland und Preussen sich als Feinde gegenüberstanden – zu Ende gegangen. Der Friedensvertrag zwischen Preussen und Russland wurde am 5. Mai 1762 in St. Petersburg unterzeichnet. Zwei Monate später, am 9. Juli 1762 wurde die deutschstämmige Katharina II, als Kaiserin von Russland inthronisiert.

Die Situation in Deutschland war im 18. Jahrhundert alles andere als rosig. Die vielen zersplitterten kleinen Herrschaftsgebiete wurden meist von adeligen Fürstenhäusern regiert, welche sich einen überschiessenden Hofstaat erlaubten, der dadurch finanziert wurde, dass die ansässigen Bauern bis aufs Letzte mit Abgaben belastet wurden. Es herrschten Massenarmut, permanente Kriege und innere Unruhen in einer revolutionären Stimmung. Die Anreize zur Auswanderung waren gross.

In Russland aber waren riesige Territorien kaum bewirtschaftet. Grossteils wurde das Land östlich des Urals nur von durchziehenden Nomaden genutzt. Die riesigen Rohstoffreserven wie Eisen, Kohle, Kupfer, Gold und Silber blieben ungenutzt in der Erde. 

Zudem kamen noch neue Territorien in den Steppen Zentralasiens dazu, wo die Nomadenstämme Russland als Schutzmacht gegen die aggressiven und grausamen mongolischen Horden der Nachfolger Dschingis Khans erbaten.

Kurz gesagt: in Russland herrschte ein Bedarf an fleissigen und arbeitswilligen Einwanderern, was in Deutschland für viele ein guter Grund zum Auswandern war.

Die aktuelle russische Regierung nimmt Anleihen in ihrer eigenen Geschichte

Ein Schelm wer denkt, die Situation sei heute vergleichbar!!

Aber da die Russen offenbar solche Schelme sind, ist es nicht erstaunlich, dass in Kreisen von Regierung und Parlament Bestrebungen herrschen, Angebote an ausreisewillige Fachkräfte besonders aus westeuropäischen Staaten zu unterbreiten, die dem Geist der Kaiserin Katharina II entsprechen.

So hat Präsident Putin am 19. August 2024 den Ukas Nummer 702 erlassen, wonach Ausländer erleichtert nach Russland einreisen können.
Zunächst soll Personen, welche aus Ländern stammen, deren Politik den russischen geistigen Werten widerspricht, eine Genehmigung für den Aufenthalt erteilt werden, ohne dass die sonst üblichen Kriterien, wie -Nachweis von Russischkenntnissen, Wissen zur Geschichte Russlands und den Grundlagen des russischen Rechts- gefordert werden. Auch sollen die sonst üblichen jährlichen Quotenbeschränkungen nicht angewendet werden.
Für solche Personen sollen zunächst Visas für 3 Monate ausgestellt werden, um in dieser Zeit die näheren Umstände zu prüfen und die Festlegungen für die weitere Zukunft zu treffen.

Am 17. September 2024 hat die russische Regierung die Verordnung Nummer 2560-r erlassen, wo die 47 Staaten aufgelistet sind, aus denen die Umsiedlung nach Russland nach einem erleichterten Verfahren erfolgen kann. Das ist die Liste der Länder, die sich gegenüber Russland «unfreundlich» verhalten, insbesondere Sanktionen verhängt haben. In Russisch im Internet publiziert unter http://publication.pravo.gov.ru/document/0001202409200036?index=1 Darunter sind auch die Schweiz, Österreich, Deutschland und Liechtenstein aufgeführt.

Verordnung 2560 der Russischen Regierung


Die genauen Details zum Procedere betreffend Erlangung der Visa und dem weiteren Verfahren innerhalb Russlands sind nach meinen Erkenntnissen noch nicht publiziert. Diesbezüglich wird sich aber ab sofort eine konziliante Praxis entwickeln, welche sich vermutlich erst nach einer Erfahrungsperiode in Detailregelungen niederschlagen wird.
Konkret interessierte Ausreisewillige wenden sich wohl am besten an das russische Konsulat in ihrem Land.

Zudem sind auch die Bedingungen für ehemalige Aussiedler aus Russland zur Rückkehr in ihre ursprüngliche Heimat im Fokus dieser neuen Migrationspolitik.

Die Ansiedlungsbedingungen für die Zeit nach Ablauf der 3-monatigen Aufenthaltsgenehmigung werden besonders günstig sein für Personen, welche Fachkenntnisse mitbringen, für die in Russland ein besonderer Bedarf herrscht.



Umsiedlung von Ausländern nach Russland im 18. Jahrhundert und heute

8 Kommentare zu „Umsiedlung von Ausländern nach Russland im 18. Jahrhundert und heute

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