Russischer Patriotismus – ein Konzertbesuch

Russischer Patriotismus erschöpft sich nicht in Militärparaden, Veteranen und patriotischen Reden, sondern lebt in der Gesellschaft – mit Pop, Rock und Kult: Sein Gott heisst Shaman.

Einleitung

Als ich Maria mitteilte, dass ich noch vor unseren Sommerreisen Shaman live sehen wolle, war sie erstaunt, ihre Eltern – beide um die 70 – waren begeistert und so kauften wir vier Billette für ein Konzert in Chechow, das etwa so gelegen ist wie Zürich Schwammendingen, um die 80 Kilometer vom Zentrum Moskaus entfernt.

In diesem Kurzbeitrag geht es nicht nur um Shaman – dem patriotischen Kultrocker Russlands – sondern um den russischen Patriotismus, der tief mit der russischen Seele verwoben ist, nichts mit Nationalismus zu tun hat, sondern mit aufrichtiger Liebe zum eigenen Land und seiner Kultur.

Ein spöttischer Seitenblick auf die Vorbilder in Westeuropa drängt sich dabei mehr als auf.

Shaman – «Ich bin Russe»

Vor ein paar Wochen räumten Masha und ich Bücher ein und aus, sortierten, verabschiedeten uns von vielen und neue wurden eingeordnet mit der Vorfreude des Ungelesenen; eine Heidenarbeit. Mit Musik geht das leichter von der Hand.

Masha war für die Musik verantwortlich. Das erste Lied, das ich von Shaman hörte, ist einer seiner grössten Hits. Für einen Westler kaum zu glauben, aber es ist die russische Nationalhymne. Die erste Strophe singt er a cappella, aber wie. Hören Sie selbst.  

Quelle: Youtube

Shaman sieht nicht nur gut aus, sondern hat auch eine Hammerstimme und bald legte ich die Bücher beiseite und wir schauten YouTube Videos von Shaman – russische Kulturbildung der angenehmen Art.

Shaman ist nicht irgendwer, sondern Kult im Riesenreich. Als Sohn eines Musikers, in Tula geboren, einer der 13 Heldenstädte des Grossen Vaterländischen Krieges, 220 km von Moskau entfernt, studierte er an einem Topkonservatorium Musik, dem Gnesin-Institut in Moskau.

Das Konzert

Shaman füllt Stadien, unser Konzert fand jedoch in einer kleinen Arena statt. Das Publikum hätte nicht gemischter sein können. Vom dreijährigen Kleinkind bis zur Urgrossmutter war alles da – wir befanden uns im guten Mittelfeld.

Man hätte meinen können, dass es nach dem Anschlag auf die Crocus-Konzerthalle vom 22. März strengste Sicherheitskontrollen gäbe und die Menschen Konzerte meiden würde, aber es ist so, wie ich das bereits kurz nach dem Anschlag erwartet habe: Die Russen lassen sich nicht einschüchtern und die Kontrollen waren wie bei Konzerten, welche ich vor dem Anschlag besucht hatte – freundlich, effizient und nicht an einen Flughafen erinnernd.

Die Stimmung war entspannt, familiär und es wurde unter den Zuschauern Rücksicht genommen auf die Kleinsten und die Greisen. Es ist auffallend, wie gesittet es bei Grossanlässen in Russland zugeht. Das hat übrigens nichts mit Oppression zu tun, sondern einfach mit Anstand.

Das Konzert war ein Hammer und wie immer an einem Live-Konzert ist die Stimmung unvergleichlich. Wir waren alle begeistert.

Die grossen Hits von Shaman sind – auch aufgrund der patriotischen Stimmung im Lande – folgende Lieder:

«Встанем» –  Wir stehen auf

Quelle: Youtube

«Я Русский» – Ich bin Russe

Quelle: Youtube

Aber auch Liebesballaden gehören zum Repertoire – zum Hinknien.

«ТЫ МОЯ» – Du gehörst zu mir

Quelle: Youtube

Patriotismus – kein Nationalismus

Patriotismus kann man sich nicht kaufen, den muss sich ein Land verdienen. Er ist die wichtigste moralische Währung eines Staates, der Schmelzpunkt seiner Geschichte und Kultur. Patriotische Menschen sind geeint, auch wenn sie möglicherweise nicht immer mit der Führung ihres Landes einig sind. Denn das Objekt des Patriotismus ist das Land und nicht dessen Regierung. Das sehe ich selbst in meiner Familie – wir sind nicht immer einig, aber Patrioten. Patriotismus hat somit mit Liebe zum eigenen Land zu tun und seine Energie ist immer eine positive.

Im Gegensatz dazu beruht Nationalismus nicht auf Einigkeit, sondern auf einem übersteigerten Wertgefühl des «Eigenen» in strikter Abgrenzung zu den «anderen». Er wird richtiggehend aufgezwungen oder oft mit Hass gekauft. In einer nationalistischen Atmosphäre werden die Bürger vor eine Wahl gestellt: Du bist mit uns oder gegen uns. Das hat nichts mit der Liebe zum Land, sondern mit Kadavergehorsam gegenüber der Führung des Landes zu tun. Wie schmal der Grat ist zwischen Patriotismus und Nationalismus zeigt per excellence die Geschichte der deutschen Nationalhymne. Das «Lied der Deutschen», entstanden aus Liebe zur Heimat, zum eigenen Land, gegen fremde Gebietsansprüche, wurde durch den Missbrauch patriotischen Gedankengutes zur nationalistischen Hymne mit der klaren Aussage, «Wir sind die Nummer 1 und besser als alle anderen!».

Das ist der grosse Unterschied.  

Die Russen sind äusserst offen gegenüber dem Rest der Welt und werden für diese grossartige Mentalität weltweit äusserst geschätzt und respektiert – ausser vom Westen. Der starke Patriotismus, den wir in Liedern wie «Я Русский» – (Ich bin Russe) oder «Встанем» – (Wir stehen auf) mit Händen greifen können, ist ein Zeichen der Stärke und nicht des Hasses.

Selbstverständlich wird Shaman im Westen als Werkzeug und Propagandakind des Kremls dargestellt und man tut alles, um diesen grossartigen Sänger negativ darzustellen. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie Wurst den Russen Artikel wie im Stern oder der NZZ sind.

Und was findet der Westen cool und erstrebenswert?

Nemo: Ein Schweizer Mann – oder doch nicht?

Die Schweiz ist gerade darüber begeistert, dass Nemo, der Schweizer Kandidat, vor ein paar Tagen den Eurovision Song Contest gewonnen hat.

Nemo zeichnet sich dadurch aus, dass er – oder besser «es» oder was auch immer – in einem pinken Röckchen auftrat und sich als «non-binär» outete. Er identifiziert sich somit mit keinem Geschlecht und fühlt sich weder als Mann noch als Frau.

Ich finde es absolut ok, dass jeder das sein darf, was er will.

Problematisch ist meiner Meinung nach der Umstand, dass solche Phänomene zu Vorbildern in unserer Gesellschaft werden. Oder gemacht werden? Ganz Europa ist begeistert über eine Randfigur, die nicht weiss, was oder wer sie ist.

Während Russland einen virilen Patriotismus mit einem Bild von einem Mann feiert, der über eine grandiose Stimme und eine fundamentale musikalische Ausbildung verfügt, huldigt Westeuropa einem Geschöpf, das von sich behauptet, nicht zu wissen, ob es Mann oder Frau ist und mit seinem pinken Kleidchen – um es diplomatisch auszudrücken – schwer vermittelbar aussieht. 

Die russische Gesellschaft macht einen Mann zum Träger des Patriotismus, er trägt kein pinkes Röckchen und weiss, was er ist. Er ist in Russland ein «men’s man», wie die Amerikaner zu sagen pflegen, ein Mann, dem die Frauen zu Füssen liegen und auch von den Männern geliebt wird. Der Inbegriff eines «men’s man» ist im Westen etwa George Clooney – auch er trägt kein pinkes Röckchen.

Fazit

Dass Europa in seinem Song Contest ein non-binäres Geschöpf zum Sieger kürt, ist ein Zeichen der kompletten Orientierungslosigkeit, einer moralischen Beliebigkeit und Verwahrlosung, welche die westeuropäischen Gesellschaften ergriffen hat.

Was bin ich froh, dass mein Sohn erwachsen ist. Ich stelle mir vor, wie ich mit einer gewissen Ernsthaftigkeit einem Kind oder Pubertierenden erklären müsste, warum ein solches Geschöpf in Westeuropa zum Volkshelden und Vorbild wird und was daran grossartig sein soll – es ist es nicht.

Russischer Patriotismus – ein Konzertbesuch

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