Ruhe vor dem Sturm
Der Angriff der Ukraine auf die Bomberflotte Russlands liegt erst Tage zurück. Die Ukraine und ihre Verbündeten haben sich in eine Situation manövriert, die sie als politisch nackt dastehen lässt.
René Zittlau

Russische Diplomatie gegen Ukrainische Drohnen
Mit den Terroranschlägen und den Drohnenangriffen auf die durch internationale Verträge praktisch geschützten Atomstreitkräfte Russlands versuchte das Kiewer Regime die Istanbuler Gespräche zum Platzen zu bringen. Ohne Erfolg.
Russland wurde empfindlich getroffen, wobei es weniger die Zahl der Flugzeuge ist, die schmerzt. Durch sein besonnenes Verhalten hat es auf der anderen Seite gezeigt, was ausgefeilte Diplomatie in Krisenzeiten zu leisten vermag. Es ließ sich nicht provozieren, hielt an dem mit der Ukraine vereinbarten Treffen in Istanbul fest und unterbreitete der Gegenseite das vorbereitete Memorandum professionell während der Verhandlungen und nicht – wie die Ukraine – Tage vorher über die Medien.
Der bekannt gewordene Inhalt belegt das ernsthafte Interesse Russlands, da es neben bekannten harten Forderungen, deren Lösung niemand am 2. Juni erwartete, humanitäre, also lösbare Aspekte in den Mittelpunkt stellte. Aspekte, die die Ukraine zum einen nicht ignorieren kann und zum anderen innenpolitisch vor praktisch unlösbare Probleme stellt.
Gerade mit Letzteren wurde die Ukraine auf dem völlig falschen Bein erwischt. Die Rückgabe der sterblichen Überreste von 6.000 größtenteils identifizierten gefallenen ukrainischen Soldaten bringt Klarheit für die Angehörigen. Diese Klarheit ermöglicht den Hinterbliebenen jedoch auch, die gesetzlich festgeschriebenen finanziellen Entschädigungen einzufordern. Sie belaufen sich auf 365.000 Euro pro gefallenen Soldaten. Bei sechs Tausend Gefallenen summiert sich der Gesamtbetrag auf fast 2,2 Milliarden Eurо. Diese Summe stellt mehr als fünf Prozent der Ausgaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums dar. Geld, das die Ukraine nicht hat.
Dieser Hintergrund erklärt das Geschrei Selenskis im Nachgang zu diesem Vorschlag Russlands. Für die Angehörigen ist es wichtig, endlich Klarheit über die „spurlos Verschwundenen“ zu bekommen. Doch ihr Präsident äußerte sich dazu wie folgt:
„Soweit mir bekannt ist, wurden von diesen 6000 Personen 15 % identifiziert. Es ist sehr wichtig, alles zu überprüfen, alle unsere Leute müssen unbedingt abgeholt werden.“
(Präsident) Selenski
Doch dabei beließ er es nicht. Er fügte hinzu:
„Wir hatten bereits einmal eine Situation, in der wir einen solchen Austausch durchgeführt haben und die Russen uns die Leichen ihrer eigenen getöteten Soldaten übergeben haben.“
(Präsident) Selenski
Belege für diese krude Behauptung bringt er wie gewöhnlich nicht. Auch einen 2-3-tägigen Waffenstillstand an bestimmten Frontabschnitten zur Bergung von Gefallenen und Verwundeten lehnt er ab und nennt die, die das vorgeschlagen haben „Idioten“.
Worum es Selenski tatsächlich geht, beschreibt der ehemalige Rada-Abgeordnete Vladimir Olejnik:
„Wie die Praxis zeigt, wird in der Ukraine fast allen Angehörigen der getöteten Soldaten eine Entschädigung verweigert und eine gerichtliche Entscheidung verlangt.“
Vladimir Olejnik
Die Angehörigen müssen dabei nachweisen, dass der Getötete nicht unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand, nicht desertierte und sich nicht geweigert hatte, einen Befehl auszuführen.
„Die Auszahlungsverfahren ziehen sich lange hin. Angesichts der Tatsache, dass die Ukraine 600 Millionen Dollar an ausländische Gläubiger nicht zurückzahlen kann, plant sie auch nicht, ihren Bürgern die Beträge in voller Höhe auszuzahlen.“
Vladimir Olejnik
Die Ankündigung des russischen Delegationsleiters in Istanbul, die Namensliste der übergegebenen Toten zu veröffentlichen, dürfte auch nicht dazu beitragen, die Stimmung in der ukrainischen Führung aufzuhellen.
Der neueste Beitrag des Ukrainischen Parlaments in dieser Frage ist das Einbringen eines Gesetzesentwurf, dass die Anerkennung eines Soldaten als vermisst erst zwei Jahre nach Kriegsende vorsieht. Es spricht für den Charakter dieses Hohen Hauses, dass dieser Gesetzesvorschlag unmittelbar nach den Istanbuler Gesprächen vom 2. Juni formuliert wurde.
Doch damit ist der Gipfel des Zynismus noch nicht erreicht. In Istanbul wurde vereinbart, zunächst am 6. Juni die sterblichen Überreste von 1.200 von 6.000 Soldaten an der weißrussisch-ukrainischen Grenze auszutauschen und anschließend am 7./8. Juni den vereinbarten Gefangenenaustausch ebendort durchzuführen. Die Reihenfolge ist dem Verhalten der ukrainischen Seite bei früheren Austauschen geschuldet, bei denen sie alles unternahm, eine Übernahme der Gefallenen zu vermeiden.
Angesichts dieser Vorgeschichte verwundert es kaum, dass die Ukraine am 6. Juni – also am Tag der vereinbarten Übergabe – die Übernahme der Toten ohne Begründung verweigerte. Und das, nachdem diese 1.200 Toten von Rostow am Don in Südrussland an den Ort des vorgesehenen Austausches in Weißrussland transportiert worden waren. Damit machten die ukrainischen Verantwortlichen auch den damit verbundenen, geplanten Gefangenenaustausch unmöglich.
Das Schweigen des Donald Trump
Der amerikanische Präsident ist nicht für seine mediale Zurückhaltung bekannt. Das machte sein dröhnendes Schweigen zu den ukrainischen Drohnenangriffen und den Terroranschlägen auf russische Eisenbahnbrücken um so auffälliger. Bis zum 4. Juni äußerte sich der amerikanische Präsident praktisch mit keinem Wort zu einer Attacke, die die angegriffene Russische Föderation als Angriff auf ihre Existenz hätte auslegen können, was sie nach der eigenen Doktrin zu einem nuklearen Gegenschlag auf den Angreifer nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet.
Er äußerte sich nicht zu den Pressemeldungen, nach denen sein Verteidigungsminister Pete Hegseth die Drohnenattacken online live verfolgt haben soll. Es gab nicht einmal einen medialen Versuch, den mit Händen zu greifenden Verdacht auf eine Beteiligung amerikanischer Dienststellen und die anderer NATO-Staaten zu versuchen glaubhaft zu entkräften.
Daran ändert sich auch nichts, wenn die Sprecherin des Weißen Hauses Karoline Leavitt am 03. Juni sagte, Trump sei nicht im Voraus über die Drohnenangriffe der Ukraine auf russische Bomber informiert worden.
Der Außenminister der USA, Marco Rubio, kondolierte zwar zu den Eisenbahnanschlägen gegenüber seinem Amtskollegen Sergej Lawrow, verlor jedoch kein Wort zu den Drohnenangriffen.
Derartige Meldungen und Verhaltensweisen werden durch die russischen offiziellen Stellen üblicherweise sehr genau registriert und dürften das russische Misstrauen eher angefacht haben.
Am Abend des 04. Juni kam dann die Meldung, dass Donald Trump ein Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten geführt hatte. Seine anschließende Mitteilung darüber auf Truth Social hatte für die Verhältnisse eines Donald Trump einen auffallend defensiven Charakter.

„Ich habe gerade ein Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin beendet. Das Gespräch dauerte etwa eine Stunde und 15 Minuten. Wir haben über den Angriff der Ukraine auf russische Flugzeuge in einem Hafen sowie über verschiedene andere Angriffe beider Seiten gesprochen. Es war ein gutes Gespräch, aber kein Gespräch, das zu einem sofortigen Frieden führen wird. Präsident Putin hat sehr deutlich gesagt, dass er auf den jüngsten Angriff auf die Flugplätze reagieren muss. Wir haben auch über den Iran gesprochen und darüber, dass die Zeit für eine Entscheidung des Iran in Bezug auf Atomwaffen knapp wird und dass diese Entscheidung schnell getroffen werden muss! Ich habe Präsident Putin erklärt, dass der Iran keine Atomwaffen haben darf, und ich glaube, dass wir uns in diesem Punkt einig sind. Präsident Putin hat angeboten, an den Gesprächen mit dem Iran teilzunehmen und möglicherweise dabei zu helfen, diese zu einem raschen Abschluss zu bringen. Meiner Meinung nach zögert der Iran seine Entscheidung in dieser sehr wichtigen Angelegenheit hinaus, und wir brauchen in sehr kurzer Zeit eine definitive Antwort!“
Erneut keine persönliche Klarstellung seinerseits dazu, ob er als amerikanischer Präsident informiert war oder nicht. Das lässt die Darstellung des Beraters des russischen Präsidenten, Uschakow, nach der Trump dem russischen Präsidenten mitteilte, dass die USA über die ukrainischen Absichten nicht informiert waren, wie einen diplomatischen Versuch zur Rettung der Situation erscheinen. Rettung für einen amerikanischen Präsidenten, der offensichtlich keine Kontrolle über die Geheimdienste und die Armee seines Landes zu haben scheint.
Ausgehend von der Gesamtsituation rund um das Telefonat erscheinen Aussagen, dass Trump der russischen Führung grünes Licht zu einem Vergeltungsschlag gegeben hat, dann doch reichlich seltsam.
Wie bekannt, hat der russische Präsident ihm mitgeteilt, dass Russland antworten muss. Trump wird angesichts der Lage gar keine andere Option gehabt haben, als dem zuzustimmen, was die russische Führung auch ohne ihn tun würde.
Es ist schlicht nicht vorstellbar, dass die CIA, DIA und der MI6 nicht in die Planung der Drohnenattacken eingebunden waren. Nachrichtenlogistik und die Sicherstellung der Kommunikation über einen riesigen Bereich Eurasiens hinweg in Echtzeit dürfte die Möglichkeiten der Ukraine überfordern. Bei den Terroranschlägen auf die russische Eisenbahn am selben Tag wurden laut der offiziellen Stellungnahme der russischen Ermittlungskommission an allen Tatorten Reste „westlichen Sprengstoffs“ gefunden. Laut inoffiziellen Quellen handelte es sich um amerikanischen C4-Sprengstoff.
Es scheint, dass Tulsi Gabbard als Direktor aller US-Geheimdienste ebenso „überspielt“ wurde, wie ihr Dienstherr.
Zeit der Entscheidung
In einer Stunde und 15 Minuten – die Dauer des Telefonats – kann man nicht allzu viel besprechen. Auf Grund der Übersetzung schrumpft die reine Redezeit auf maximal die Hälfte. Beide Seiten werden sich also auf die drängendsten Themen konzentriert haben. Ob der Iran den Stellenwert hatte, den Trump ihm in seinem Post einräumte, möge sich jeder selbst beantworten.
Zu seinem Amtsantritt versprach Trump das Blaue vom Himmel und die Verteilung desselben innerhalb weniger Tage. Die russische Diplomatie wusste den Neuen im Weißen Haus zu nehmen, sie begegnete ihm mit Respekt und Wertschätzung. Eigentlich unspektakuläre Grundlagen im menschlichen und so auch diplomatischen Umgang. Im westlichen Politbetrieb inzwischen derart rar, dass Personen Staatschefs, Außenminister, ja Vorsitzende der UNO-Generalversammlung werden können, die davon nie etwas gehört zu haben scheinen.
Trump dürfte seither und vor allem in den letzten Tagen wohl einige Illusionen über die Möglichkeiten eines amerikanischen Präsidenten, das System von der Spitze her zu reformieren, ad acta gelegt haben. Es ist sicher nicht unmöglich, aber…. Mit einer Politik im Sinne der Doners, wie es das amerikanische Präsidentschaftssystem seit langem verkörpert, wird diese Herkulesaufgabe nicht zu stemmen sein.
Gegen Trump stehen nicht nur rund 50 Prozent der amerikanischen politischen Klasse, gegen ihn positioniert sich unverhohlen auch die übergroße Mehrheit der EU-Politiker. Diese Konstellation führt zu der eigentlich absurden Situation, dass Trump in Gesprächen mit dem russischen Präsidenten mehr Verständnis finden könnte, als im „trauten Kreis“ des amerikanischen und europäischen Polit-Business und einschließlich der eigenen Geheimdienste.
Die russische, militärische Antwort auf die ukrainische Drohnenattacken wird kommen, auch auf künftige Angriffe. Russland wird mit ihr über die Ukraine hinaus für den Westen klarstellen, dass es in militärische Attacken umgesetzte politische Provokationen von Seiten der Ukraine, der NATO und der EU nicht duldet. Heute nicht und auch nicht morgen.
Dabei wird Russland auch den im Juni 2025 anstehenden NATO-Gipfel im Blick haben. Dort wird sich Trump entscheiden müssen: mit der NATO und der ihr zu Füßen liegenden EU gegen Russland mit allen daraus folgenden Konsequenzen oder nicht kriegstreibend auf die NATO einzuwirken und somit in vielleicht bislang ungewöhnlichen Konstellationen mit anderen versuchen dazu beizutragen versuchen, der Menschheit zumindest eine Chance auf Frieden in der Zukunft zu erhalten.
Es beginnt eine Zeit der Entscheidungen. Für Politiker, aber auch für die Bürger.
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