Kursk: Invasion, Kriegsbeginn, Ablenkung, Pfand?

Der Angriff der Ukraine in der Region Kursk verleitet westliche Medien und «Experten» zu Aussagen, die mit der Realität nichts zu tun haben. Die Sache wird scheitern. Analyse.

Peter Hänseler

Dieser Artikel wurde auch auf ZeroHedge publiziert.

Präsident Putin – schlecht gelaunt.

Momentaufnahme

Zurzeit befinden sich ca. 10’000 ukrainische Truppen in der Region Kursk. Bis dato ist es den Ukrainern gelungen um die 50 Dörfer und die Stadt Sudscha einzunehmen. Das gesamte eroberte Gebiet misst ca. 1’000 km2 – das entspricht 0.0058% der Fläche Russlands.

Das Ziel schien zu sein, das südwestlich von Kursk gelegene Atomkraftwerk einzunehmen, um damit ein Pfand in die Hand zu bekommen. Den Russen ist es inzwischen gelungen, den Vormarsch der Ukrainer nach Norden und Osten zu stoppen. Dort graben sich die Ukrainer ein. Im Westen des Aufmarschgebiets bewegen sich die ukrainischen Streitkräfte in westliche Richtung. Das Momentum verlangsamt sich merklich.

Rote Linie: Grenze Russland Ukraine – Gelb eingefärbt: Ungefähre Geländegewinne per 17. August 2024 – Quelle: Military Summary

Parallel dazu versuchten die Ukrainer in der Nacht auf den 17. August einmal mehr die Krimbrücke mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln – Drohnen, Marschflugkörper, HIMARS etc. – zu zerstören. Dies gelang nicht.  

Mit der Aktion in der Region Kursk wurde Russland das erste Mal seit 1941 angegriffen. Damals marschierten knapp 4 Millionen Soldaten in Russland ein. Sie scheiterten bereits im Winter 1941 vor Moskau. Der Krieg dauerte jedoch noch über drei Jahre länger und hinterliess einen Leichenberg von ca. 40 Millionen Menschen.

Welche Ziele hat die Ukraine – wurden diese erreicht?

Schaut man sich die Grössenordnungen (eingesetzte Truppen und Geländegewinn) an, so stellt sich die Frage, was die Ukrainer mit dieser Militäraktion bezwecken.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass die militärische Situation für die Ukraine an der knapp 2’000 km langen Front desperat ist. Die Russen rücken immer schneller vor. Die Verluste der Ukrainer in den letzten zwei Monaten betrugen über 60’000 pro Monat. Damit hat sich die Verlustquote im Langzeitvergleich diesen Sommer verdoppelt. Diese Verluste vermögen die Ukrainer trotz aggressivster Zwangsrekrutierung nicht zu kompensieren. Zurzeit werden wehrpflichtige Menschen in der Ukraine regelrecht gejagt und nach einer Schnellbleiche von ein paar Tagen an die Front geworfen – ein menschliches Drama.

Die ukrainische Führung ist sich dessen wohl bewusst und vor einigen Wochen verlautbarte (Präsident) Selenski, dass an einer nächsten Runde möglicher Friedensverhandlungen die Russen dabei sein müssten. Dies ist einerseits ein Eingeständnis dafür, dass die «Friedensverhandlungen» am Bürgenstock in der Schweiz, wie von uns vorausgesagt, zum Rohrkrepierer wurden und dass (Präsident) Selenski jegliche Initiative und politische Bewegungsfreiheit verloren hat.

Das Unterfangen, mit den Russen zu verhandeln, war jedoch bereits vor der Aktion in der Region Kursk zum Scheitern verurteilt. Die legalistischen Russen erkennen (Präsident) Selenski nicht mehr als legale Führung der Ukraine an. Zu Recht: Seit Mai regiert (Präsident) Selenski ohne Rechtsgrundlage. Folglich führen wir in unseren Artikeln den Titel des Präsidenten in Klammern. Eine Verhandlungslösung unter Einbeziehung von (Präsident) Selenski war somit bereits vor der Kursk-Offensive ausgeschlossen.

Folglich sucht die ukrainische Führung mit der Aktion in Kursk einen Befreiungsschlag; das mag aus ukrainischer Sicht durchaus Sinn machen, falls ein mittelfristig nachhaltiges Ergebnis erreicht werden könnte.

Man kann davon ausgehen, dass die Ukrainer mit dieser Aktion mehrere Ziele verfolgen: Einerseits hofften sie, dass mit ihrer Invasion in die Region Kursk die Russen ihre Truppen von der Front abziehen und somit den Vormarsch auf der gesamten Kontaktlinie einstellen oder oder zumindest reduzieren würden. Damit hofften die Ukrainer, das zu erreichen, was den Russen mit der Eröffnung der Charkow- Front vor ein paar Monaten ihrerseits gelungen war.

Das erste Ziel haben die Ukrainer nachweislich nicht erreicht: Der Vormarsch der russischen Truppen in den verschiedenen Frontabschnitten geht unvermindert weiter.

Das zweite Ziel bestand darin, durch die Eroberung des Atomkraftwerkes Kursk und mit der Geiselnahme von möglichst vielen russischen Zivilisten, Pfänder für mögliche Verhandlungen in der Hand zu halten.

Auch diese Ziele scheinen nicht erreichbar zu sein. Die Einnahme des Atomkraftwerkes Kursk ist gescheitert und scheint in der Zukunft unmöglich zu sein. Dennoch geht von diesem Atomkraftwerk eine reelle Gefahr für einen Grossteil der russischen Bevölkerung aus, etwa wenn dieses von HIMARS-Raketen getroffen würde. Mit der Geiselnahme von Zivilisten werden die Ukrainer tatsächlich erreichen, dass die Russen sich in ihrer Gegenwehr mit schweren Waffen zurückhalten werden, was zu einer Verzögerung der Rückeroberung führen wird.

Ihren Initialerfolg erkaufen sich die Ukrainer jedoch sehr teuer. Wie bereits bei den Drohnenangriffen in Moskau anfangs des Konflikts gelang es den Ukrainiern auch mit dieser Aktion nicht, die Russen in Angst und Schrecken versetzen. Mehr noch, in der Vergangenheit hat ein solches Terrorvorgehen – wie etwa während des Zweiten Weltkrieg – keinesfalls Früchte getragen, sondern zu einer Unerbittlichkeit auf russischer Seite geführt. Dies wird diesmal nicht anders sein.

Ein Vergleich mit der Schlacht von Kursk ist lächerlich

Übrigens, ein Vergleich mit der Schlacht um Kursk ist lächerlich: An der Operation Zitadelle im Juli 1943 nahmen auf deutscher Seite knapp 800’000 und auf russischer Seite knapp zwei Millionen Soldaten Teil. Die jeweiligen Seiten wurden von den besten Feldherren geführt. Wehrmacht: von Manstein, von Kluge, Hoth, Kempf, Model, Guderian, Jodl, etc. Sowjetunion: Zhukov, Rokossovski, Vatutin, Konev, etc. Sie gilt als die grösste je geschlagene Schlacht der Weltgeschichte und als letzte Offensive der Wehrmacht auf dem Territorium der Sowjetunion, die für die Deutschen katastrophal endete und einen Leichenberg von um die 800’000 Menschen hinterliess. Ein Vergleich greift somit in keiner Weise.

Wie stellt der Westen das Geschehen dar?

Am 15. August sprechen die Ukrainer von 75 eingenommen Dörfern, die Russen von 40.

Ich kenne die Umgebung von Kursk persönlich. Riesige Ebenen, unterbrochen von kleinen Dörfern oder Weilern mit ein paar Häusern, manchmal eine Tankstelle, einige kleine Läden und möglicherweise eine Polizeistation. Alles komplett offen – weit und breit keine russische Armee. Wenn da zwei Schützenpanzer mit zwanzig Soldaten einfahren, gilt dieses Dorf als erobert. Diese Besetzung als «Eroberungen» zu bezeichnen, ist somit irreführend und reine Propaganda. Zwar haben die Ukrainer eine Militärkommandatur Kursk eingerichtet. Das ändert jedoch nichts and er Tatsache, dass 1’000 km2 dünn besiedeltes Gebiet keine strategische Änderung bringen wird. Dazu kommt, dass die sich jetzt in der Region befindlichen Truppen versorgt werden müssen. Dies kann nur zu Lasten der Truppen an der Hauptfront erfolgen.

Dass dieser Coup dennoch teilweise als Kriegswende gefeiert wird, ist lediglich ein Hinweis auf die ukrainische desperate Gesamtlage.

Die Wehrmacht versuchte im Dezember 1944 in den Ardennen auf ähnliche Art noch einmal das Blatt zu wenden. Nach einem durchaus ein paar Tage dauernden schnellen Vorrücken der letzten gut ausgerüsteten deutschen Panzertruppen, brach die Offensive unter den überwältigenden Kräften der Alliierten, welche anfangs völlig überrascht waren, schnell zusammen. Es spricht einiges dafür, dass diese Militäraktion der Ukraine das gleiche Schicksal ereilen wird.  

Optimismus im Westen ist eine Schimäre

Der Westen hat bereits angekündigt, noch mehr Waffen zu liefern. Das Hauptproblem der Ukrainer liegt jedoch darin, dass aufgrund der riesigen Verluste gar kein Personal – und schon gar kein qualifiziertes – verfügbar ist. Das widerspiegelt die perfide Strategie des Westens in aller Klarheit: Kampf gegen Russland bis zum letzten Ukrainer.

Dessen ist sich das ukrainische Volk bewusst.

Das ukrainische Volk kann und will nicht mehr

Ich verfüge über gute Kontakte in der Ukraine. Ich kann nicht detailliert auf die Natur dieser Kontakte eingehen, aber es handelt sich um Quellen, welche es erlauben, einen relativ guten Eindruck über die Stimmung im Volk zu gewinnen. Es sind keine politischen Quellen, aber solche, welche durch alle Schichten und das ganze Land gehen. Was meinen und sagen sie tatsächlich – wie ist die Stimmung wirklich in der Ukraine?

Die Menschen haben genug – vom Krieg, von der Korruption, von den Stromunterbrüchen, von der Hitze, von Selenski, der mit dem Versprechen von Frieden mit einem Spitzenresultat an die Macht kam und sein Volk hintergangen hat. Die Bevölkerung will Frieden.

Die Frage, ob sie auf die Krim, den Donbass, Cherson und Saporischschja verzichten würden, um Frieden zu erhalten, stellt sich nicht wirklich. 90% antworten mit «Ja». Westliche Medien kolportieren 25% bis 45%. Es darf daran erinnert werden, dass die Reste des ukrainischen Mittelstandes noch im Dezember zu grossen Teilen davon ausgingen, den Krieg gewinnen zu können. Von diesem Optimismus ist nichts mehr übrig.

Die einzige Frage, die sich nun noch stellt, ist, ob, wie und wann das Volk seinen Willen durchsetzen kann. Die Zeit wird es zeigen.

Die westlichen Medien, die ständig vorgeben, auf der Seite des ukrainischen Volkes zu stehen und dessen Interessen zu vertreten, zeigen durch ihre bewusst falsche Berichterstattung, dass ihnen das Schicksal dieser Menschen völlig egal ist.

Fazit

Die Geschichte lehrt, dass ein letztes Aufbäumen einer untergehenden Armee zu keinen nachhaltigen Ergebnissen führt (siehe Ardennenschlacht 1944).

Diese Aktion in der Region Kursk war nur durch einen Überraschungseffekt möglich – das ist den Ukrainern gelungen, die Russen liessen sich tatsächlich überraschen. Ob diese Militäraktion aufgrund von Schlamperei, Verrat oder auf einer bewussten, aber falschen Risikoanalyse ermöglicht wurde, ist völlig unklar und spielt letztlich keine Rolle. Die Russen stellen sich in Zeiten der Not immer hinter ihre Führung und werden trotz aller Opfer die Ukrainer aus Russland zurückdrängen.

Wer behauptet, dass diese Aktion ohne enge Führung aus Washington und London durchgeführt wurde, hat die Natur dieses Konfliktes noch immer nicht erkannt: Die USA und Grossbritannien führen einen Stellvertreterkrieg gegen Russland, die Ukraine ist lediglich ausführendes Organ.

Letztendlich ist dieser Vorfall lediglich ein Mosaikstein in einem bedrohlichen Gesamtbild, das die Welt zur Zeit seit Monaten und wohl noch für längere Zeit in Atem hält.

Eine Gesamtanalyse, welche zur Zeit bei uns in Arbeit ist, wird diese Ansicht mit Fakten untermauern.

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