Israel – vom Opfer zum Täter zum Opfer – ein Hin und Her seit 80 Jahren – Teil 1

Die Nahost-Problematik versteht man nur, wenn man die Geschichte und die gegenwärtige geopolitische Lage kennt – Emotionen helfen nicht.

Peter Hänseler / René Zittlau

Einleitung

Es ist erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit sich Medien und Exponenten, welche sich gerne als Experten sehen, in ein unsägliches moralisch-emotionales Bad begaben, nur um in Kürze von Fakten überholt zu werden, welche dieselben Exponenten dann zu einer Kehrtwende zwingen. Teilweise ist dies bereits geschehen.

Viele unserer Leser fragten an, warum wir nicht schon früher geschrieben hätten, über das grosse Ereignis, über das Blutbad, das keinen kaltlässt. Es sei doch klar, wer die Übeltäter seien.

Wir nahmen uns die Zeit, umfassend zu recherchieren und nachzudenken, bevor wir zur Feder griffen; ein Privileg, das News-Medien nicht haben.

Wir sehen unsere Aufgabe nicht darin, Partei zu ergreifen und Exponenten zu verurteilen, sondern Fakten zu ordnen, zu analysieren und so eine Basis für eine Diskussion zu erarbeiten, welche einen Ausweg aufzeigen könnte, auch wenn er nicht – wie so oft – beschritten wird.

Analysen, welche die historischen Fakten, die zur gegenwärtigen Situation führten, ausser Acht lassen, greifen zu kurz.

Die Uniformität der in den westlichen Medien und auf den Bühnen der westlichen Politik vertretenen Standpunkte findet ihren Ursprung nicht nur in politischem Kalkül oder verkrusteten Wertvorstelllungen, sie sind vielmehr ein klarer Hinweis auf das fehlende Verständnis für die Komplexität der Materie.

Dessen sind wir uns bewusst und daher haben sich René Zittlau und ich dafür entschieden, diesen Artikel gemeinsam zu schreiben – zu viele Fakten mussten untersucht werden, um innert nützlicher Frist unseren Lesern einen Überblick zu verschaffen.

Dieser Artikel ist der erste in einer Serie. Unsere Serien eröffnen wir regelmässig mit der geschichtlichen Aufarbeitung. Und so beginnen unsere Betrachtungen mit dem Ersten Weltkrieg, da bis 1917 zwischen den Arabern und Juden Frieden herrschte. Es wird keinen unserer Leser verwundern, dass es des Auftauchens des damaligen Imperiums bedufte, um Zwietracht zwischen Völkern zu schaffen.

Erster Weltkrieg – die Saat des Palästinakonflikts wird gestreut

Der Erste Weltkrieg zeichnet sich durch mehrere Eigenheiten aus, die vielfach übersehen werden. Und das, obwohl diese Eigenheiten viele Parallelen zur gegenwärtigen Lage aufweisen, die erwähnenswert sind.

Erstens, die späteren Kriegsgegner stolperten wie Schlafwandler in etwas hinein, das sich anfangs wie eine Familienfehde präsentierte. Der deutsche Kaiser (Willhelm II.), der russische Zar (Nikolaus II.) sowie der britische König (George V.) waren alle miteinander verwandt (Cousins), und verursachten durch Ego und Naivität einen Konflikt, der sich innert Wochen zum bis dahin grössten Blutbad der Menschheit entwickelte – unter tatkräftiger Mithilfe der Franzosen.

Die Parallelen in der heutigen geopolitischen Situation zu 1914 sind erkennbar: Ein lokaler Konflikt, der aufgrund von Allianzen, unüberlegten Aussagen und Handlungen das Potential hat, einmal mehr der Kontrolle der Mächtigen zu entgleiten. Die bisherigen Nahost-Konflikte waren alle lokal – der jetzige ist es ganz und gar nicht.

Zweitens, dieser erste globale Konflikt führte in der Folge zum Untergang von drei Riesenreichen: Dem Osmanischen, dem Österreich-Ungarischen und dem Russischen. Die Weltkarte sah danach anders aus.

Falls der gegenwärtige Konflikt ebenfalls zu einem Weltkrieg eskaliert, wird die Landkarte unseres Planeten danach nicht mehr zu erkennen sein. Noch nie waren die Underdogs so stark und miteinander verbunden, zu dem Zeitpunkt, als der Hegemon einen Befreiungsschlag in Erwägung zog.

Drittens, die siegreichen Franzosen und Briten legten unter tatkräftiger Mithilfe des kommenden Hegemons durch ihr Verhalten nach dem Krieg mit dem Abkommen von Versailles nicht nur die Basis für den Zweiten Weltkrieg, sondern begannen – getrieben von Macht- und Geldgier – bereits mitten im Krieg, die Saatkörner für den seit 80 Jahren tobenden Palästinakonflikt zu setzen.

Geldgier grassiert auch in den heutige Konflikten. Die Parallelen zu 1916 sind erstaunlich. Nicht Länder, aber Finanzriesen, finanziell deutlich potenter als Länder, sind bereits dabei, sich die Filetstücke der Ukraine zu sichern. Der grösste Leichenfledderer dabei ist BlackRock. Auch der scheinbar wertlose Gazastreifen verfügt in der Form von Erdgas vor seiner Küste über einen märchenhaft grossen Schatz. Diesen der breiten Öffentlichkeit nicht bekannte Fakt werden wir ebenfalls unter die Lupe nehmen und einordnen.

Der Erste Weltkrieg bietet sich somit als idealer Startpunkt unserer Zeitreise an.

1916 – Das Sykes-Picot-Abkommen

Nicht einmal die Hälfte des über vier Jahre dauernden Kriegs (August 1914 bis November 1918) war verstrichen, als die beiden späteren Siegermächte Grossbritannien und Frankreich sich bereits daran machten, die spätere Kriegsbeute im Morgenland unter einander aufzuteilen.

Am 16. Mai 1916 wurde zwischen Grossbritannien und Frankreich ein geheimes Abkommen darüber geschlossen, wie die Kolonien des Osmanischen Reiches im Sinne dieser beiden Mächte am vorteilhaftesten aufgeteilt werden könnten. Dabei standen selbstredend die Interessen Frankreichs und Grossbritanniens im Mittelpunkt und nicht die Interessen der Völker der betroffenen Länder.

Das Sykes-Picot-Abkommen trägt den Namen ihrer Verfasser. Mark Sykes war ein britischer Militär, Reisender, Unterhaus-Abgeordneter und konservativer politischer Berater der britischen Führung in Nah-Ost Fragen. Er hatte Einfluss und war auch an der weiter unten zu besprechenden Balfour-Erklärung beteiligt.  François Georges-Picot, war ein französischer Diplomat und Rechtsanwalt, der den französischen Einfluss im Nahen Osten vergrössern wollte. Er war übrigens der Grossonkel des späteren französischen Präsidenten Giscard d’Estaing.

Wie sehr ein fähiger Diplomat den Lauf der Geschichte beeinflussen konnte, zeigt ein Blick auf die folgende Karte. Der französische Verhandlungsführer Picot vermochte erstaunlicherweise ein Ergebnis zu erzielen, das der realen Machtposition Frankreichs im Jahre 1916, das über 100 Jahre vorher seine Stellung als Weltmacht verloren hatte, keineswegs entsprach.

Das Abkommen nahm den Zerfall des Osmanischen Reiches im Ergebnis des 1. Weltkriegs zutreffend vorweg und die Darstellung kommt den nach Kriegsende erfolgten Teilungen den Nahen Ostens betreffend nahe.

1917 – Die Balfour-Erklärung

Dieses weltberühmte Schreiben von Arthur Balfour, dem britischen Aussenminister, an Baron Walter Rothschild, ist hinsichtlich mehrerer Aspekte interessant.

Wortlaut:

„Verehrter Lord Rothschild,

ich bin sehr erfreut, Ihnen im Namen der Regierung Seiner Majestät die folgende Erklärung der Sympathie mit den jüdisch-zionistischen Bestrebungen übermitteln zu können, die dem Kabinett vorgelegt und gebilligt worden ist:

Die Regierung Seiner Majestät betrachtet mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina und wird ihr Bestes tun, die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern, mit der Massgabe, dass nichts geschehen soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden nichtjüdischen Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und den politischen Status der Juden in anderen Ländern in Frage stellen könnte.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Erklärung zur Kenntnis der Zionistischen Weltorganisation bringen würden.

Ihr ergebener Arthur Balfour“

Die Balfour Deklaration – Wikipedia

Der Text lässt vermuten, dass es den Engländern darum ging, den Juden, vertreten durch die Zionistische Weltorganisation, eine Heimstätte (keinen Staat) in Palästina zu verschaffen, damit die über die ganze Welt verstreuten Juden eine Heimat erhalten würden. Das wirkte wie hehres Verhalten der Weltmacht Grossbritannien.

Die oben gezeigte Kopie der Deklaration ist die einzige Version, welche die Zeit überlebte. Es gibt Wissenschaftler, welche davon ausgehen, dass die Briten verschiedene Versionen erstellten und eine – die oben gezeigte – den Juden und eine andere den Arabern übergaben und beide keinesfalls übereinstimmten.

Das Ziel der Briten war es, sich als Garanten der jüdischen Heimstätte in Palästina festzusetzen. Palästina lag zwischen dem britisch kontrollierten Ägypten mit dem geopolitisch machtentscheidenden Suezkanal und Mesopotamien (dem heutigen Irak), das sich die Briten nach dem Krieg einverleiben wollten und dies auch taten.

Den Irak wollten die Briten wegen des Erdöls und durch ihre Pläne für Palästina sollte keine andere Macht sich zwischen den Irak und Ägypten schieben können. Peter Haisenko, England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert.

Somit ging es den Briten überhaupt nicht darum, den Juden zu helfen. Vielmehr suchte man ein der Weltmacht geneigtes Palästina zu erhalten, welches selbst über keine Rohstoffe verfügte. Damit schaffte man sich einen effizienten Schutz der Landbrücke Irak-Ägypten. Wie immer hatte das von einer Weltmacht Geäusserte mit der Realität nichts zu tun, sondern war lediglich ein Baustein für ein grösseres geopolitisches Ziel.

April 1920 – Konferenz von Sanremo

Der Erste Weltkrieg endete im November 1918, dessen größter Verlierer nicht das Deutsche Reich war. Der grosse Verlierer war das Osmanische Reich. Es ging unter.

Am 10. Januar 1920 wurde der Völkerbund gegründet. In dessen Auftrag fand die Konferenz von Sanremo im April des gleichen Jahres statt.

Dort wurde die Kriegsbeute nun offiziell aufgeteilt, nachdem sich die Franzosen und Briten im Geheimen bereits vier Jahre zuvor im Sykes-Picot-Abkommen grundsätzlich geeinigt hatten.

Die Briten, welche immer noch als Weltmacht fungierten, wenn auch bereits geschwächt, verleibten sich das ein, was sie schon immer wollten. Neben Palästina, das aus dem Gebiet des heutigen Israels und Transjordanien (heutiges Königreich Jordanien) bestand, wurde den Briten der Irak zugeschlagen.

Die Franzosen erhielten Syrien und den Libanon.

Die den Parteien zugeschlagenen Länder wurden als «Mandatsgebiete» bezeichnet. Man wollte der Weltöffentlichkeit offensichtlich den Eindruck vermitteln, dass die Briten und die Franzosen diesen Ländern in deren Interesse beistehen würden. Es waren jedoch einfach Länder, welche sich die beiden als Kolonien unter den Nagel rissen, inklusive einer vertraglich vereinbarten völlig freien Grenzziehung. Offensichtlich herrschte in der Diplomatie bereits 1920 jene politische Korrektheit, die die Sprache vergewaltigt, um übles Tun zu kaschieren.

Der Nahe Osten wurde somit weitgehend britisch. Die Briten marschierten von Ägypten kommend über Gaza in Palästina ein. Sie schafften es, sich vom ehemaligen Osmanischen Reich Ägypten, Sudan, Palästina, den Irak und praktisch auch die arabische Halbinsel einzuverleiben. Ägypten wollten sie wegen des Suez-Kanals, Irak wegen des Öls und mit Palästina kontrollierten sie die Landverbindung zwischen beiden und brachten somit auch Saudi-Arabien im Vorbeigehen unter ihre zumindest indirekte Kontrolle. Saudi-Arabien interessierte zu jenem Zeitpunkt noch niemanden, weil es arm war und noch kein Öl gefunden wurde. Dies geschah erst 1938.

In der weiteren Betrachtung wird uns nur das britische Mandatsgebiet Palästina interessieren.

August 1920 – Der Vertrag von Sèvres

Nach dem Vertrag von Sanremo beendete der am 10. August 1920 unterzeichnete Vertrag von Sèvres, wörtlich «Friedensvertrag zwischen den alliierten Mächten und der Türkei» formal den 1. Weltkrieg.

Er regelte detailliert, welche Zugeständnisse die Türkei als Nachfolgerin des Osmanischen Reiches zu machen hatte.

Uns interessieren an dieser Stelle lediglich die Regelungen, die eine Bedeutung für die weiteren Entwicklungen rund um Palästina bzw. das spätere Israel hatten.

Artikel 95 (voller Text hier) regelte das Schicksal Palästinas und nahm auch auf die Balfour-Erklärung Bezug, ohne diese namentlich zu nennen.

«[…] Der Mandatsträger ist für die Umsetzung der Deklaration der britischen Regierung vom 2. November [1917 (Balfour Erklärung)], die von den alliierten Mächten übernommen wurde und der zufolge Palästina unter Wahrung aller Bürgerrechte und religiösen Rechte der nicht jüdischen Bevölkerung Palästinas, der kein Nachteil daraus entstehen darf, dass Palästina ein Heimatland für das jüdische Volk werden soll, verantwortlich. […]»

ARt. 95 Vertrag von Sèvres

Artikel 95 hielt fest, dass die Balfour-Erklärung übernommen werde. Die Formulierung geht jedoch inhaltlich über sie hinaus. Wurde den Juden 1917 lediglich eine Heimstätte versprochen spricht Art. 95 von einem «Heimatland».

Für die weitere Analyse ist es wichtig, dass Art. 95 unmissverständlich festhält, dass die nicht-jüdische Bevölkerung alle Bürgerrechte und religiösen Rechte innehaben solle und ihr kein Nachteil aus dem Umstand erwachsen dürfe, dass Palästina zum Heimatland der jüdischen Bevölkerung werde.

1922 – Mandatsvereinbarung zu Palästina

Die Vereinbarungen von Sanremo zum britischen Völkerbundmandat Palästina wurden in einer separaten Vereinbarung 1922 ratifiziert. Darin wird auch eine nicht näher spezifizierte Jewish Agency als Partner für die Umsetzung des Mandats genannt. 

Bei der dann im Jahre 1929 gegründeten Jewish Agency handelt es um eine bis heute sehr einflussreiche zionistische Organisation. Eine NGO, wie wir heute sagen würden. Ihr Vorläufer, das Palestine Jewish Bureau, wurde 1908 in Palästina von der Zionistischen Weltorganisation gegründet. Seine Aufgabe war es, die Interessen der Juden gegenüber den türkischen Behörden zu vertreten, die Einwanderung nach Palästina zu unterstützen und den Erwerb von Land zu fördern. 

In dem Dokument, in dem der Völkerbund Großbritannien unter Bezugnahme auf den Vertrag von Sanremo die Mandatschaft über Palästina zuspricht, bezieht sich Artikel 4 – hier einsehbar –  teils wortgleich auf die eigentlich unverbindliche Balfour-Erklärung der britischen Regierung gegenüber Lord Walter Rothschild.

 

1920 bis 1948 – Zuwanderung nach Palästina

Einleitung

Die britische Regierung hatte sich 1917 mit der Balfour-Deklaration zwar unverbindlich dafür ausgesprochen, die Schaffung einer jüdischen „Heimstätte“ zu fördern, doch wurde mit den Verträgen von Sanremo und Sévres diese Unverbindlichkeit auf eine rechtlich verbindliche Ebene gehoben. Somit stellte sich die Frage, wie die jüdische Einwanderung zu organisieren sei. 

Problemlos von 1920 bis 1933

Die britische Verwaltung legte in Zusammenarbeit mit der Jewish Agency dazu folgendes Prozedere fest:

Zweimal jährlich wurden durch die Kolonialbehörden Einwanderungsquoten festgelegt, die sich an den aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in Palästina orientierten. Die Jewish Agency schuf ein in Jaffa angesiedeltes Palästina-Amt, das für die organisatorische Abwicklung der Einwanderung zuständig war. In den jeweiligen Auswanderungsländern gab es wiederum dem Palästina-Amt in Jaffa unterstellte lokale Palästina-Ämter, die Auswanderungswilligen im Rahmen der festgelegten Quoten Einwanderungszertifikate ausstellten. Diese wurden den jeweiligen britischen Konsulaten zur endgültigen Genehmigung vorgelegt. Damit war die britische Verwaltung in der Lage, die Einwanderungsquoten zu regulieren. Bis zu den frühen 30-er Jahren hielten sich das Angebot und die Nachfrage nach Einwanderungszertifikaten die Waage, so dass es kaum Probleme gab.

Hitler verursacht auch Probleme in Palästina

Das änderte sich mit dem Machtantritt Hitlers im Januar 1933, mit dem die Nachfrage in Deutschland sofort ungeahnte Höhen erreichte. Diese Art der Organisation gab der Jewish Agency über die Palästina-Ämter erhebliche Möglichkeiten, die Zuwanderung nach eigenen Kriterien zu steuern, was sie auch tat. 

„Das 1933 gebildete Zentralbüro für die Ansiedlung deutscher Juden innerhalb der Jewish Agency for Palestine schloss Antizionisten als Zertifikatsbewerber aus; als Kandidaten für die Alija [Einwanderung] wurden junge, gesunde Leute mit einer gewissen Schulung in der Landwirtschaft oder in einem Handwerk bevorzugt, sowie Personen mit einem gewissen Kapital; die Bedürfnisse und Interessen Palästinas hatten Vorrang vor der Rettung von Juden‘, jedenfalls bis 1938.“

Alexander Schölch, «Das Dritte Reich, die Zionistische Bewegung und der Palästina-Konflikt, S. 655

Konflikte im Zusammenleben von Juden und Arabern

Die in den 20-er Jahren moderate Einwanderung führte kaum zu Konflikten zwischen den unterschiedlichen Kulturen. Im Gegenteil. Die arabische Mehrheit begrüsste sie und erhoffte sich davon einen wirtschaftlichen Aufschwung.

Dennoch gab es auch bewaffnete Auseinandersetzungen seitens der arabischen Bevölkerung gegen die Kolonialmacht. Ursache war die Ablehnung der Entlassung von Palästina in die Selbständigkeit. 

In den Jahren 1936 – 1939 kam es erneut zu einem grossen bewaffneten arabischen Aufstand. Auslöser war die sehr stark gestiegene jüdische Zuwanderung und wiederum Forderungen nach Unabhängigkeit. Kamen im Zeitraum von 1924 bis 1931 80.000 Juden nach Palästina, so waren es in den Jahren 1932 bis 1939 rund 200.000, vor allem in Folge der politischen Veränderungen in Europa. (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung )

Die britische Verwaltung setzte laut Wikipedia 20.000 Soldaten zur Unterdrückung des Aufstands ein. Sie bewaffnete darüber hinaus Tausende Juden als Hilfspolizisten und ebenso der Kolonialverwaltung loyal ergebene Araber. Im Ergebnis gab es auf arabischer als auch jüdischer Seite Tausende Tote. 

1939 – Weissbuch

Im Weissbuch vom Mai 1939 zog die britische Regierung Konsequenzen. So verkündete sie:

«[…] dass es nicht ihre Politik ist, aus Palästina einen jüdischen Staat werden zu lassen [und d]as Ziel der Regierung seiner Majestät ist die Errichtung eines unabhängigen Palästina-Staates innerhalb von zehn Jahren […] In dem unabhängigen Staat sollen Araber und Juden gemeinsam in der Weise regieren, dass die wesentlichen Interessen jeder Gemeinschaft gesichert sind“. 

Aus der Übersetzung der Bundeszentrale für politische Bildung

Es wurde sowohl eine Obergrenze der jüdischen Bevölkerung insgesamt festgelegt als auch eine Begrenzung der Einwanderung für den Zeitraum von 5 Jahren, danach sollte es jüdische Einwanderung nur noch mit arabischer Zustimmung geben.

Die Juden mussten die Massnahmen als Niederlage empfinden. Aber auch die führenden arabischen Köpfe unterstützen diese neue Politik nicht, da sie die Forderung nach einer sofortigen Unabhängigkeit ablehnten. All diese Massnahmen standen im Widerspruch zur bisherigen Politik, zum Mandatsvertrag und somit der Balfour-Deklaration. 

Dennoch bestimmte das Weissbuch von 1939 die britische Politik bis 1947, als der politische Prozess zur 1948 erfolgenden Gründung des Staates Israel einsetzte.  

Dazu gehörte auch die Umgehung der von der britischen Verwaltung festgelegten Einwanderungsquoten für Juden nach Palästina. So kamen im Zeitraum 1934 – 1948 zusätzlich 150’000 Juden illegal nach Palästina. Auch mit der deutschen Regierung schloss die Jewish Agency ein Abkommen, nach dem 50’000 deutsche Juden nach Palästina auswandern durften.

Wie sich herausstellen sollte, waren das keine guten Voraussetzungen für ein langfristig friedliches Zusammenleben von einheimischen Arabern und jüdischen Zuwanderern.

1920-1948 – Zuwanderung Karten und Daten

1917

Quelle: https://palaestina-portal.eu/Bilder-13/Histor39.JPG

1947

Quelle: https://palaestina-portal.eu/Bilder-13/Histor50.JPG

Unter der britischen Mandatsherrschaft stieg der Anteil der jüdischen Bevölkerung bis 1947 auf 33 Prozent.

1920-1947 – Grafik der Zuwanderung

Der Zuzug von Juden verstärkte sich noch einmal spürbar, nachdem in Deutschland die Nationalsozialisten an die Macht kamen.

Quelle: https://palaestina-portal.eu/Bilder-13/Histor4.JPG

1947 – UNO-Resolution 181 – Zweistaatenlösung

Nach dem zweiten Weltkrieg zeichnete sich ab, dass die Briten das Mandat über Palästina loswerden wollten, da die von ihnen selbst im Weissbuch erstellten Regeln zu Problemen sowohl mit den Juden als auch den Arabern führten. Grossbritannien zählte zwar zu den Siegern des Zweiten Weltkriegs, hatte jedoch das Zepter der Weltherrschaft an die USA abgeben müssen und riesige wirtschaftliche Probleme.

Die 1945 geschaffene UNO nahm sich des Problems an. Sie setzte eine Kommission ein, die Vorschläge ausarbeiten sollte, wie das Problem der arabischen Bevölkerungsmehrheit und der jüdischen Bevölkerungsminderheit gelöst werden könnte. Ausgearbeitet wurden zwei Varianten. Einerseits eine Ein-Staaten-Lösung und andererseits ein Plan für die Schaffung eines jüdischen und eines palästinensischen Staates – die bis heute diskutierte Zwei-Staaten-Lösung.

Mit der Resolution 181 (Originaldokument hier) wurde schliesslich die Zweistaatenlösung mehrheitlich angenommen.

Die arabischen UNO-Mitglieder lehnten den Plan allerdings geschlossen ab. Sie lehnten nicht nur einen jüdischen Staat ab, sondern sahen in dem Plan eine Verletzung der Rechte der palästinensischen Mehrheitsbevölkerung.

Die Befürworter des Plans ihrerseits übten grossen Druck aus, damit die UNO den Plan annahm, allen voran die Jewish Agency, die inzwischen weltweit agierte.

Es gab auch Juden, die den Plan ablehnten, weil er ihnen nicht weit genug ging. Am Ende wurde folgende Teilung des Landes mit der Resolution 181 angenommen, wobei Jerusalem einen internationalen Status bekam:

Quelle Abstimmungsergebnisse: UNO/Grafik: Wikipedia

1948 – Ausrufung des Staates Israel

Das britische Mandat endete am 14. Mai 1948. Einen Tag später, am 15. Mai 1948 wurde der Staat Israel ausgerufen.

Trotz Resolution 181, die ausdrücklich auch die Gründung eines souveränen palästinensischen Staates forderte, wurde dieser Teil des völkerrechtlich bindenden Beschlusses bis zum heutigen Tag nicht verwirklicht.

Fazit

In diesem ersten Teil habe wir folgendes erarbeitet:  

Palästina, das die heutigen Staaten Israel und Jordanien sowie den Gaza-Streifen und das Westjordanland umfasste, kam durch den Zerfall des Osmanischen Reiches 1920 unter britische Verwaltung, so wie im Geheimabkommen Sykes-Picot von 1916 geplant.

Ab 1917 kam es in der Zeit des britischen Mandats zu einer starken jüdischen Zuwanderung nach Palästina, die durch die Judenverfolgung ab 1933 beschleunigt wurde.

Das Siedlungsverhalten der Juden war nicht selten von Rücksichtslosigkeit und Gewalt gegenüber der palästinensischen Bevölkerung gekennzeichnet, was von der britischen Verwaltung geduldet wurde. Auf Grund dessen und der schieren Masse an jüdischen Zuwanderern kam es wiederholt zu bewaffneten Unruhen und Aufständen.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde durch die UNO eine Zweistaatenlösung herbeigeführt, da die entstandenen Probleme anders nicht mehr beherrschbar erschienen. Im Ergebnis erhielt die jüdische Minderheit 56,47% des Mandatsgebiets (ohne Transjordanien) zugesprochen. Dieses Gebiet entsprach im Wesentlichen den Territorien, die sich die jüdischen Siedler im Laufe der Zuwanderung angeeignet hatten. Bis zur Teilung gab es dort jedoch keine jüdische Bevölkerungsmehrheit.

David Ben Gurion scherte sich jedoch nicht um UNO-Resolution 181 und nahm das Ende des britischen Mandats am 14. Mai 1948 zum Anlass, am darauffolgenden Tag Israel als Staat auszurufen. Dies im Widerspruch zur von der UNO auferlegten Zweistaatenlösung.

Der Staat Israel betrat die Weltbühne und gleichzeitig hörte das historische Palästina auf zu existieren.

Ausblick auf Teil 2

Im zweiten Teil unserer Serie werden wir die sehr blutigen Vorkommnisse ab der Gründung Israels bis zum 7. Oktober 2023 erörtern, um diese dann in Teil 3 geopolitisch einzuordnen.

Israel – vom Opfer zum Täter zum Opfer – ein Hin und Her seit 80 Jahren – Teil 1

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