Georgien – ein Spielball westlicher Geopolitik wehrt sich
Mit der Verabschiedung des NGO-Gesetzes setzt das georgische Parlament ein Zeichen gegen das Veto ihrer französischstämmigen Präsidentin. Die Georgier haben genug und wollen eigenständig sein – der Westen ist betrübt.
René Zittlau
Einleitung
Ein kleines Land im Kaukasus mit einer stolzen Bevölkerung steht auf und verweist den Westen in die Schranken, welcher mit der Kraft seiner NGO’s die Politik Georgiens zu manipulieren versucht.
Mit seinen knapp 70.000 Quadratkilometer ist Georgien etwa so gross wie Bayern oder knapp zweimal so gross wie die Schweiz und hat eine Bevölkerung von 3,7 Millionen, davon lebt ein Drittel in der Hauptstadt Tiflis.
Im Jahre 2022 betrug das Bruttosozialprodukt Georgiens kaufkraftbereinigt 20.243 Euro (EU ca. 40.000 Euro). Im Vergleich zum Vorjahr wuchs der Wert um überragende 19,1 Prozent. Gemessen an diesem Wert liegt Georgien damit weltweit ganz weit vorn. In diesem Jahr soll die Wirtschaft um weitere 5,7% steigen wird (Wikipedia).
Der Schein einer überaus soliden Wirtschaftspolitik, den diese Wachstumsraten verbreiten, trügt allerdings. Denn so wie Armenien (Wachstumsrate 2022 bei sagenhaften 20,5 Prozent) profitierte Georgien von einem massiven Zuzug russischer Bürger und russischen Kapitals sowie der Neukalibrierung russischer Export- und Importwege als Folge der westlichen Wirtschaftssanktionen.
Abgesehen von dieser besonderen Situation scheint dieses kleine Land wirtschaftlich dennoch auf einem guten Weg zu sein, ohne auch nur im Ansatz an die statistischen Werte der EU-Staaten heranzureichen.
So bleibt die Frage, was also so interessant ist an diesem Land, dass viele Politiker des Westens in jüngster Zeit zum wiederholten Male in der kurzen 33-jährigen modernen Geschichte Georgiens zu Hause alles stehen und liegen lassen und in den Kaukasus eilen. Was erregt das Interesse und zugleich den Unmut des gesamten Westens?
Der Westen möchte sich Georgien geopolitisch unter den Nagel reissen
Es ist nicht etwa die Schönheit des Landes, die Freundlichkeit ihrer Bewohner und die grossartige Atmosphäre in Tiflis, sondern die geographische Lage, die auf Washington, Brüssel, Berlin, London, Paris und die baltischen Staaten wie Nektar auf die Bienen wirkt. Zwischen Kaspischem und Schwarzem Meer gelegen, klein, handlich, nicht reich erscheint es formbar, sprich: manipulierbar.
Die geografische Lage ist aus NATO-Sicht ideal, denn Georgien hat eine lange Grenze mit Russland. Die ethnische Vielfalt und überschaubare Grösse macht es für eine Einflussnahme der Westmächte attraktiv.
Praktisch seit seiner Unabhängigkeit im Jahre 1991 wird es mit dem wiederholten Versprechen eines baldigen und beschleunigten Beitritts in EU und NATO gelockt, manipuliert und damit innen- und aussenpolitisch fast zerrissen.
Die EU ist weit. Die nächsten EU-Staaten sind Rumänien und Bulgarien, beide 1000 Kilometer Luftlinie entfernt. Die Strassenverbindung ist fast doppelt so lang und führt wahlweise über die seit einer Generation ebenfalls auf eine EU-Mitgliedschaft wartende Türkei oder über Russland.
Eine Einbindung in die wirtschaftlichen Strukturen der EU ist nicht nur auf Grund der geografischen Lage schwierig. Die Realitäten sind inzwischen so gelagert, dass die NATO den politischen Kompass der EU bestimmt. Eine EU-Mitgliedschaft ohne eine feste NATO-Bindung, ist nicht mehr zu haben. Dabei steht ausser Frage: Für die antirussische Strategie der NATO ist Georgien ein Traumkandidat. Dass man die Georgier dabei trotz der geographischen Distanz mit einer EU-Mitgliedschaft ködert, gehört zum Geschäft.
Für Georgien ist die Situation diffizil: Das Land will es sich weder mit Westeuropa und den USA noch mit Russland verscherzen. Die Situation erinnert somit an jene in der Ukraine kurz vor dem Maidan.
Mit sauberen Mitteln kamen die westlichen Staaten nicht zu ihren politischen Zielen. Weltweit erprobten politischen Technologien folgend setzen sie daher unter dem Deckmantel von Demokratieförderung NGO´s, Nichtregierungsorganisationen ein: Ein Vorgehen, das vor allem von den USA perfektioniert wurde.
Was sind NGO à la USA?
Nichtregierungsorganisationen – ein Blick in die Küche der weltweiten westlichen Einflussnahme, nicht nur in Georgien
Unter dem Begriff Nichtregierungsorganisation (NGO) im geopolitischen Sinn werden Organisationen verstanden, welche die Interessen von Gruppen und Einzelpersonen in der Politik zu lobbyieren und durchzusetzen versuchen.
Solange das Vorgehen transparent ist und nachvollzogen werden kann, Ross§ und Reiter also bekannt sind, ist dagegen nichts einzuwenden.
Mit der Entwicklung von NGO, die vor etwa 120 Jahren mit Organisationen wie dem Internationalen Roten Kreuz begann, setzte sich jedoch sehr schnell die Erkenntnis durch, dass über diese formal regierungsunabhängigen Organisationen sehr wohl politische Ziele befördert werden können, ohne dass die eigentlichen Initiatoren, Sponsoren und somit Nutzniesser erkennbar werden. Das schliesst auch politische Ziele ein, deren regierungsamtliche Umsetzung nicht möglich, opportun oder offiziell unerwünscht ist.
Von dieser Überlegung war es nur ein kleiner Schritt zum nächsten und in seiner Wirkung folgenschweren Gedanken: Die Nutzung von formal regierungsunabhängigen Organisationen nicht nur zur Unterstützung bereits existierender politischer Ziele, sondern dafür, völlig neue politische Ziele zu postulieren und umzusetzen. Und auch hier ohne dass die eigentlichen Initiatoren, Sponsoren und Nutzniesser erkennbar werden.
Eine weitere, höhere Stufe in der kreativen Nutzung von formal regierungsunabhängigen Organisationen wurde erreicht, als interessierte Kreise begannen, diese Organisationen für die Umsetzung politischer Ziele einzusetzen, die der Öffentlichkeit praktisch nicht bekannt sind und in den Statuten der Organisationen auch nicht nachvollziehbar definiert sind. Es versteht sich, dass gerade die Hintermänner derartiger NGO keinerlei Interesse an Publizität haben.
Die Formulierung „formal regierungsunabhängig“ ist dabei nicht zufällig gewählt. Denn derartige Organisationen nutzen westliche Regierungen inzwischen wie selbstverständlich zur Durchsetzung ihrer Interessen. National ebenso wie weltweit.
Der „foreign agent act“
In den USA hat das Wissen über das politische Wirken von NGO sehr früh dazu geführt, ein Gesetz zu erlassen, das für die US-Politik unerwünschte Wirkungen der Tätigkeit von NGO und Einzelpersonen auf die politische Willensbildung auszuschliessen versucht – der sogenannte „foreign agent act“ aus dem Jahre 1938.
In den USA hat das Wissen über das politische Wirken von NGO jedoch ebenso dazu geführt, eine ganze NGO-Industrie im Namen der Regierung bzw. der US-Politik zu schaffen, um insbesondere ausserhalb der USA ein dichtes Netz von NGO zu installieren, das die politischen Interessen der USA massiv propagiert und durchzusetzen versucht. Diese NGO-Industrie finanzieren einerseits massiv der amerikanische Staat als auch politisch interessierte und finanziell äusserst potente Kreise. Ein Beispiel für letztere ist Goerge Soros, einer der reichsten Menschen der Welt.
Mit Hilfe derartiger Nichtregierungsorganisationen (was für ein Euphemismus) beeinflussen und kontrollieren die USA inzwischen praktisch den grössten Teil des politischen und gesellschaftlichen Lebens nicht nur des eigenen Landes und des sogenannten kollektiven Westens. Sie beeinflussen über diese Strukturen die Politik weltweit.
Eine zwischenstaatliche Organisation wurde de facto zu einer NGO unter privater Kontrolle
NGO werden einerseits komplett neu erschaffen, um bestimmte Ziele zu erreichen, aber auch bestehende weltbekannte und somit einflussreiche Organisationen werden unterminiert und mit viel Geld, Lockungen und Drohungen auf den „american way of influence“ konditioniert. Zu Letzteren gehören z.B. auch IOC, FIFA, UNESCO. Die WHO, eine eigentlich zwischenstaatlich organisierte Organisation, wird inzwischen zu 80 Prozent privat finanziert. Die mit Abstand grössten Finanziers der WHO sind private Stiftungen, auch wenn die USA nominell den höchsten Beitrag leisten. Die Bill & Melinda Gates Foundation sowie die GAVI Alliance finanzieren mit 12,12% sowie 8,18% Prozent die WHO, wobei GAVI wiederum von der Gates Foundation kontrolliert wird.
Die Grössenordnung dieser weltweiten amerikanisch gesteuerten Beeinflussung übersteigt jegliches Vorstellungsvermögen. Zur Steuerung derartiger Nichtregierungsaktivitäten im amerikanischen Interesse schufen die USA eine eigene staatliche Behörde.
USAID – der staatliche US-Sponsor für NGO´s weltweit
Wohl die wichtigste Struktur zur Unterstützung von NGO´s weltweit ist USAID.
Diese staatliche amerikanische Agentur sieht sich selbst als den weltweit führenden „Spezialisten“ in Sachen NGO zur Durchsetzung amerikanischer Interessen.
In ihrem Selbstverständnis betrachtet sie sich so:
„USAID is the world’s premier international development agency and a catalytic actor driving development results. USAID’s work advances U.S. national security and economic prosperity, demonstrates American generosity, and promotes a path to recipient self-reliance and resilience.”
In der deutschen Übersetzung:
„USAID ist die weltweit führende internationale Entwicklungsagentur und ein katalytischer Akteur, der Entwicklungsergebnisse vorantreibt. Die Arbeit von USAID fördert die nationale Sicherheit und den wirtschaftlichen Wohlstand der USA, demonstriert amerikanische Grosszügigkeit und fördert den Weg zu Eigenständigkeit und Widerstandsfähigkeit der Empfänger.“
Die Übersetzung des Zitats in Realpolitik bedeutet: bei der Vorbereitung, Planung und Realisierung von politischen Unruhen und Machtwechseln im Sinne westlicher und vor allem amerikanischen Interessen spielen sogenannte Nichtregierungsorganisationen immer eine entscheidende Rolle.
Denn staatliche Strukturen wie Aussenministerien und Geheimdienste nutzen die von der USAID geschaffenen und kontrollierten NGO-Strukturen für ihre Zwecke gern und ausgiebig.
Das sollte niemanden überraschen und ist auch kein Geheimnis.
Die „Strategien für die Entwicklungszusammenarbeit in den einzelnen Ländern (CDCS)“ von USAID beinhalten eine Liste der pro Land genehmigten Strategien.
In dieser Liste findet sich auch Georgien.
NGO´s in Georgien
Unzählige NGO’s in Georgien
Georgien ist wahrscheinlich das Land mit der mit Abstand höchsten NGO-Dichte – weltweit.
Diese Annahme beruht unter anderem auf Angaben von eben USAID. USAID schreibt in einem Report von Oktober 2023 zur Situation in Georgien:
“According to the National Agency of Public Registry (NAPR), there are 31,339 registered NNLEs in the country, but only 4,051 are recognized as “active” by the National Statistical Office of Georgia.”
In deutscher Übersetzung:
“Nach Angaben der Nationalen Agentur für das öffentliche Register (NAPR) gibt es 31.339 registrierte NNLEs im Land, aber nur 4.051 sind vom Nationalen Statistikamt Georgiens als „aktiv“ anerkannt.“
Mit dieser Formulierung spielt USAID die Bedeutung der NGO´s in Georgien stark herunter und nahm damit auf seine Art Einfluss auf die Politik in Georgien. Denn der Report wurde erstellt, als das Gesetzgebungsverfahren für ein Anti-NGO-Gesetz in Georgien Fahrt aufnahm und beschreibt demnach die Situation in Georgien vor der nun erfolgten gesetzlichen Regelung der Tätigkeit der NGO´s.
Im Zuge der aktuellen politische Ereignisse befasste sich der Faktenfinder der Tagesschau am 17. Mai 2024 ebenfalls mit den NGO´s in Georgien. Die Tagesschau zitiert den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im georgischen Parlament, den Vertreter der Regierungspartei «Georgischer Traum» Nikoloz Samcharadse. Dieser sagte der BBC in einem Interview: «Wir haben 25.000 aktive Nichtregierungsorganisationen in Georgien».
In Georgien kommen demnach statistisch gesehen bei sehr konservativ angenommen 5.000 NGO´s auf jede NGO 740 Mitglieder. Bei angenommen 20.000 NGO sind es statistisch lediglich 185 Mitglieder.
Es spielt keine grosse Rolle, ob in Georgien nun 10.000 oder 20.000 oder gar 30.000 NGO´s aktiv sind. Es spielt jedoch sehr wohl eine entscheidende Rolle, dass diese NGO´s in ihrer überwältigenden Mehrheit westlich finanziert und somit gesteuert sind. Ihr Geld kommt aus den USA, der EU, Grossbritannien.
Mit dieser organisatorischen Macht ist es nun kein Geheimnis mehr, wie es möglich ist, dass in Tiflis 100.000 Menschen für oder gegen etwas im Namen von „Freiheit, Demokratie“ oder ähnliches praktisch über Nacht zu Demonstrationen aktiviert werden können. Denn je kleiner eine Organisation ist, desto einfacher ist sie kontrollierbar und manipulierbar.
Und diese Aktionen „friedlicher Bürger“ werden in westlichen Medien und durch westliche Politiker permanent medial begleitet.
Ausgehend davon und den Möglichkeiten der beschriebenen Einflussnahme durch NGO´s auf das politische und gesellschaftliche Leben eines Landes ist es im nationalen Sinne eines jeden Staates geboten, über Gesetze die Tätigkeit derartiger Organisationen zu regulieren und zu kontrollieren.
Das Parlament stimmt für eine nationale Souveränität Georgiens – die Präsidentin dagegen
Am 28. Mai 2024 verabschiedete das georgische Parlament endgültig das sogenannte „NGO-Gesetz“ in Anlehnung an die bereits erwähnte US-Variante, den „foreign agent act“ von 1938. Mit diesem abschliessenden Akt überstimmte das Parlament das Veto der prowestlichen Präsidentin des Landes, Salome Surabischwili. Die Mehrheit war mit 84 zu 4 Stimmen überwältigend.
Das, was sich begleitend zu diesem Gesetzgebungsprozess in Georgiens politischem Leben abspielte, wird in den meinungsbeherrschenden Medien des Westens nicht einmal ansatzweise an der Wahrheit orientiert dargestellt. Ja, man zeigt gern und ausführlich die Handgreiflichkeiten, die sich im Parlament abspielten, auch die Massendemonstrationen vornehmlich auffallend junger Georgier fanden ihren Widerhall in der Berichterstattung im fernen Westen, letztere gern beschrieben als Ausdruck der demokratischen Gesinnung der grossen Mehrheit des georgischen Volkes.
Laut Tagesschau z.B. vom 12. Mai 2024 brachten die Demonstranten damit „ihren Unmut über das Vorhaben ihrer moskaufreundlichen Regierung zum Ausdruck“.
Doch eine Chronologie der Ereignisse und darauf aufbauend eine ausgewogene Analyse des Geschehens findet sich in den meinungsbeherrschenden Medien nicht. Natürlich nicht, möchte man hinzufügen.
Ohne vorzugreifen, kann schon an dieser Stelle konstatiert werden: Das Verhalten der USA, Grossbritanniens und der EU muss das georgische Parlament in der Richtigkeit der Annahme des „NGO-Gesetzes“ nachdrücklich bestärkt haben.
Es ist kein Zufall, dass sich die offizielle georgische Bezeichnung des Gesetzes nirgendwo in den westlichen Medien findet. Man schreibt bei Amnesty International vom „Anti-NGO-Gesetz“, die Tagesschau über ein „umstrittenes NGO-Gesetz“ und die TAZ titelt „Gegen das ´russische´ Gesetz“.
Die nüchterne und sachliche Bezeichnung, unter der das georgische Parlament das Gesetz behandelte und am Ende auch verabschiedete, lautet schlicht und überaus treffend: „Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“.
Das ist der Kern und das Wesen, worum es in diesem Gesetz geht. Es regelt, was in den USA seit 1938 in deutlich schärferer Form gilt. Auch in den EU-Staaten haben Nichtregierungsorganisationen bei ihrer Tätigkeit Regeln zu beachten.
Kein gewählter Politiker, der die Interessen seines Landes in einem demokratisch gewählten Parlament vertritt, kann etwas gegen die Registrierung nichtkommerzieller juristischer Personen und Medien haben, wenn deren Einnahmen zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland stammen. Auch die staatliche Registrierung von Organisationen, die Interessen ausländischer Kräfte verfolgen sowie die Deklaration ihrer Einkünfte ist im demokratischen Interesse eines jeden Staatswesens.
Und von einem „moskaufreundlichen Gesetz“ kann nur jemand reden, der die politischen Realitäten komplett aus den Augen verloren hat. Denn derzeit gibt es zwischen Moskau und Tiflis nicht einmal diplomatische Beziehungen.
Zusammengefasst lässt sich zu diesem Gesetz sagen: Wer es mit der Souveränität seines Landes ernst meint, ist geradezu gehalten, die Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen nach dem Vorbild Georgiens zu regeln, um eine unerwünschte fremde Einflussnahme zu verhindern. Darum geht es, um die Verhinderung oder zumindest eine Kontrolle unerwünschter, unkontrollierter ausländischer Einflussnahme.
Auch nach dem georgischen Gesetz ist es möglich, sogenannte NGO´s in Georgien zu gründen, die ihre gesamten Einkünfte aus dem Aushalt erhalten. Nur müssen diese Einkünfte und somit deren Herkunft deklariert werden. Initiatoren, Sponsoren und Nutzniesser werden somit transparent, was ggf. weitere Einsichten eröffnet.
Ein Veto der Präsidentin gegen ein Gesetz, das zur nationalen Souveränität ihres Landes grundlegend beiträgt, wirft Fragen auf.
Ein Gesetz im zweiten Anlauf
Dieses Gesetz wurde erstmals bereits im Frühjahr 2023 vom Parlament behandelt. Auch damals war der Gesetzgebungsprozess von gewaltigen Demonstrationen begleitet. Wie von Geisterhand gesteuert erschienen im März 2023 Hunderttausende Demonstranten auf den Strassen der Hauptstadt, um gegen die Annahme des Gesetzes gegen «ausländische Agenten» zu demonstrieren, wie das ZDF damals verlautbarte. Und auch damals war es ein «russisches» Gesetz, denn laut ZDF aktivierte Moskau bezahlte politische Kräfte im Parlament, um das Gesetz durchzubringen.
Unter dem Druck der Strasse zog das georgische Parlament die Notbremse und den Gesetzentwurf zurück.
Die Präsidentin Georgiens – ein Machtfaktor des Westens im Kaukasus
Die Präsidentin Salome Surabischwili, die wiederholt vehement gegen das Gesetz auftrat und letztlich seine Annahme mit ihrem Veto versuchte zu verhindern, hat eine sehr interessante Biografie. Die Karriere lässt Rückschlüsse darauf zu, warum die gebürtige Französin und heutige georgische Präsidentin gegen die Verteidigung nationaler Interessen ihr Veto einlegte. Auf der anderen Seite stellt der Werdegang dieser französischstämmigen georgischen Präsidentin ein beredtes Beispiel westlicher Machtprojektion dar.
Geboren 1952 in Paris als Nachfahre von 1917 nach Frankreich geflohener einflussreicher Georgier trat sie nach einem Studium der politischen Wissenschaften und einem Aufbaustudium bei Zbigniew Brzezinski im Jahre 1974 in den diplomatischen Dienst Frankreichs. Sie war für ihr Land in den USA, im Tschad, bei der UNO, der NATO und OSZE tätig. Im Zeitraum von 2001 bis 2003 war sie Leiterin der Abteilung für internationale und strategische Angelegenheiten beim französischen Generalsekretär für Nationale Verteidigung.
Derart geprägt wurde sie 2003 Botschafterin Frankreichs in Georgien. Dort fand sie offensichtlich im Präsidenten Michail Saakaschwili einen Bruder im Geiste. Es ist schon sehr ungewöhnlich, wenn ein Präsident des Gastlandes alles daransetzt, dass sein Aussenministerium von einem Botschafter eines fremden Landes als Minister übernommen wird. Genau das geschah im Jahre 2004.
Um dieses Amt ausüben zu können, musste Salome Surabischwili zunächst einmal die georgische Staatsbürgerschaft annehmen. Allerdings legte sie die französische nicht ab.
In ihrer einjährigen Tätigkeit als Aussenministerin legte sie Georgien sehr erfolgreich eine antirussische Politik auf. Sie gab das Ziel aus, das Land bis 2008 auf den Beitritt zur Europäischen Union vorzubereiten. Offenbar überforderte sie sowohl die Politik als auch das Land insgesamt mit ihrer verschärften Politik der Westausrichtung, denn das Parlament sorgte für ihre Ablösung schon 2005.
Sie blieb im Land und im Jahre 2018 wurde sie Präsidentin Georgiens. Zuvor musste jedoch ein spezielles Gesetz verabschiedet werden, nach dem ihre Kandidatur zur Präsidentschaft mit zwei Staatsbürgerschaften erst erlaubt wurde, sobald sie die Abgabe der französischen Staatsbürgerschaft beantragt hatte.
Die Formulierung ist sehr interessant. Der Autor fand keine klaren Aussagen darüber, dass Salome Surabischwili ihre französische Staatszugehörigkeit tatsächlich aufgab.
Vor dem Hintergrund dieser politischen Biografie ist das vehemente Eintreten der georgischen Präsidentin gegen das Gesetz „Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“ kaum noch überraschend.
Konzertierte Aktion von Medien und Politik
Der oben erwähnte ARD-Bericht vom 17. Mai 2024 korrespondiert mit den Aktivitäten der deutschen und europäischen Politik vor Ort zur Verhinderung der Annahme des georgischen Gesetzes.
Während die ARD in Duktus und Ton die Richtigkeit der Angaben und somit die Bedeutung der NGO´s herunterspielt und die Aussagen des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des georgischen Parlaments in Zweifel zieht, versucht der SPD-Politiker Michael Roth zeitgleich in Georgien direkt und persönlich Einfluss zu nehmen auf den Gesetzgebungsprozess.
Dazu sucht Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des deutschen Bundestages, jedoch nicht etwa den Kontakt mit seinem oben zitierten Amtskollegen. Im Gegenteil. Roth, der gemeinsam mit Spitzenpolitikern aus dem Baltikum anreiste, kündigte den georgischen Behörden weder sein Kommen an, noch traf er sich mit offiziellen Vertretern des Landes. Er sowie seine baltische Entourage suchten ausschliesslich den Kontakt mit der demonstrierenden Kraft der NGO´s.
Parallelen zur Ukraine 2014
Der Bürgermeister von Tiflis und Generalsekretär der Regierungspartei „Georgischer Traum – Demokratisches Georgien“, Kacha Kaladse, beschreibt die Gesamtsituation um die Proteste gegen das Gesetzesprojekt mit den folgenden Worten:
„Die Vorgänge bei den Demonstrationen gegen den Gesetzesentwurf „Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“ im Zentrum von Tiflis ähneln denen, die 2014 in der Ukraine stattfanden. Es handelt sich um den Versuch, eine „Revolution der Sponsoren“ zu inszenieren.»
Abschliessendes
Mit der endgültigen Annahme des Gesetzes „Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“ am 28. Mai 2024 hat das georgische Parlament nicht irgendein weiteres Gesetz erlassen. Es hat die Grundlagen dafür geschaffen, dass Georgien seine Politik eigenständig und souverän bestimmen kann. Es schuf die Basis zumindest für eine Kontrolle der in Georgien tätigen politischen westlichen Vorhut, der NGO´s. Ob Georgien damit dauerhaft seinen eigenen, unabhängigen Weg gehen wird, das werden die nächsten Monate zeigen.
Im Herbst werden Parlamentswahlen stattfinden. Die Regierungspartei „Georgischer Traum – Demokratisches Georgien“ liegt in den Umfragen weit vorn. Die meisten Oppositionsparteien liegen laut denselben Umfragen unter der Fünfprozentgrenze – einerseits ein starkes Indiz dafür, dass die Proteste gegen das NGO-Gesetz nicht originär georgischen Ursprungs waren und keine georgischen Interessen vertreten.
Es scheint, dass Georgien (s)eine NGO-Lektion gelernt hat.
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