Georgien auf dem Weg zu einer neuen Ukraine?
Am 26. Oktober 2024 fanden in Georgien Parlamentswahlen statt. Der Westen hat nur ein Ziel – Sturz der bisherigen Regierung.
René Zittlau
Einleitung
Im Juli befassten wir uns mit der komplizierten politischen Situation in Georgien. Dabei gingen wir detailliert auf die Rolle der unter westlicher Führung im Land agierenden NGO´s ein. Das in dem Artikel besprochene Gesetz „Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“, was das Wirken der NGO´s erheblich eingeschränkt, wurde inzwischen gegen das Veto der georgischen Präsidentin Salome Surabischwili vom Parlament angenommen.
Um dieses politische Tauziehen einzuordnen und die Standorte der handelnden Akteure zu verstehen, genügt der Verweis auf die Aussage der amerikanischen Botschafterin in Georgien, Kelly Degnan, zu diesem Gesetz:
«Die USA sind gegen das Gesetz über ausländische Agenten in Georgien, selbst wenn es wortwörtlich aus dem US-Recht übernommen würde.»
Die Beziehungen zum Westen sind also alles andere als spannungsfrei. Dem Verlauf und Resultat der Wahlen sahen viele Akteure also mit einiger Spannung entgegen.
Ablauf der Wahl
26. Oktober 2024
Die Wahl erfolgte auch unter Nutzung von sogenannten Wahlmaschinen, wie sie sich in vielen Ländern allmählich durchsetzen. Sie erleichtern den Auszählungsprozess. Andererseits wird ihnen Anfälligkeit für Wahlfälschung nachgesagt.
Mit der Schließung der Wahllokale und noch bevor irgendwelche Stimmen ausgezählt waren, wurden von der Opposition und NGO´s Vorwürfe der Wahlmanipulation erhoben, die bis heute anhalten.
Die Auszählung am Wahlabend ergab ein relativ klares Bild:
Bei einer Wahlbeteiligung von 59 Prozent gab es im Ergebnis folgende Stimmverteilung:
Regierungspartei Georgischer Traum: 54,3 Prozent
Die Opposition erreichte zusammen 37,3 Prozent der Stimmen, was sich im Einzelnen wie folgt darstellt:
Koalition für Veränderungen: 11,2 Prozent
Einigkeit – Nationale Bewegung: 10,7 Prozent
Starkes Georgien: 8,72 Prozent
Für Georgien: 7,73 Prozent
Die anderen teilnehmenden Parteien scheiterten an der 5-Prozent-Hürde.
Die Regierung reagierte auf die Anwürfe gelassen und tat etwas, womit die Opposition und die sie unterstützenden Kreise wohl nicht gerechnet hatten: Sie ordnete die manuelle Auszählung der Stimmen für den 27. Oktober 2024 an.
27. Oktober 2024
Ohne diese Auszählung abzuwarten und ohne Beweise vorzulegen, griff die französischstämmige Präsidentin Salome Surabischwili die Regierung an und bezichtigte sie ebenfalls der Wahlfälschung. Um diesen Schritt einordnen zu können, verweise ich nochmals auf unseren Juli-Artikel.
Doch dabei beließ es Salome Surabischwili nicht: Sie berief ein Treffen aller Parteien ein, die an der Wahl teilgenommen hatten – ohne jedoch die regierende Partei und offensichtlichen Wahlsieger „Georgischer Traum“ einzuladen. Nicht ihr erster Affront.
Auf diesem Treffen rief die Präsidentin des Landes die Oppositionsparteien auf, am 28. Oktober abends gegen das Ergebnis der Wahl und somit gegen die Regierung zu demonstrieren. Nach dem Treffen wandte sie sich an das georgische Volk und rief es ebenso für den 28. Oktober in Tiflis zu Großdemonstrationen auf.
Das war noch nicht alles: Nach dem Treffen erklärten die Oppositionsparteien, ihre errungenen Mandate nicht nutzen zu wollen, also das Parlament zu boykottieren.
Dass diese ganze Agenda nicht aus dem Hut gezaubert wurde, belegt der nächste Fakt:
Um 15 Uhr des 27. Oktober 2024 gaben die westlichen Wahlbeobachter von OSZE, EU, PACE, PACE PA, NATO PA, Europaparlament um nur einige zu nennen, eine Pressekonferenz zu den Ergebnissen der Wahl. Die Chefs von weit mehr als 500 westlichen Beobachtern gingen auf organisatorische Aspekte ein, doch hauptsächlich ging es ihnen darum zu erklären, dass sie „Fälle von Stimmenkauf und doppelter Stimmabgabe“ festgestellt hätten und somit die Wahlergebnisse nicht den europäischen Standards entsprechen.
Es wurde gleichzeitig kritisiert, dass durch die Anwesenheit von Kamera-Teams in den Wahllokalen und eine aggressive Exit-Polls-Befragung nach Stimmabgabe ein hoher Druck auf die Wähler ausgeübt wurde.
Kurioserweise lobten die Damen und Herren auf derselben Pressekonferenz die organisatorische Durchführung der Wahl durch die Regierung.
Bei all den Andeutungen und Anschuldigungen blieben die Leiter der Delegationen im Ungefähren. Sie legten keinerlei konkrete Belege für ihre Anschuldigungen vor.
Man muss sich klarmachen: All das bisher zum 27. Oktober Gesagte geschah, während parallel dazu die Wahlkommission manuell sämtliche abgegebenen Stimmen noch einmal auszählte.
Hier das Ergebnis dieser zweiten Auszählung:
Regierungspartei Georgischer Traum: 53,9 Prozent
Koalition für Veränderungen: 11,03 Prozent
Einigkeit – Nationale Bewegung: 10,1 Prozent
Starkes Georgien: 8,8 Prozent
Für Georgien: 7,7 Prozent
Die manuelle Auszählung bestätigte also die von der Wahlkommission am Tag der Wahl veröffentlichten Ergebnisse, die Abweichungen sind minimal und beeinflussen das Endergebnis nicht.
Interessant sind folgende Tatsachen:
In den Großstädten Tiflis, Rustavi, Kutaisi und Batumi erreichte die Regierungspartei „Georgischer Traum“ weniger als 50 Prozent der Stimmen und verlor insgesamt gegen die Opposition. Im Rest des Landes konnte die Regierungspartei zulegen. In Gebieten, die überwiegend von ethnischen Minderheiten (Armenier und Aseri) bewohnt werden, verzeichnete die Wahlkommission einen Stimmenanteil für die Regierungspartei von 70-90% Prozent.
Fazit
Nach allem, was bisher bekannt wurde, verliefen die Parlamentswahlen in Georgien fair. Durch die sofortige Anordnung einer nochmaligen manuellen Auszählung der abgegebenen Stimmen baute die georgische Regierung den ganz offensichtlich koordiniert ablaufenden Provokationen durch Oppositionsparteien, NGO´s und westliche Wahlbeobachter vor und nahm diesen Angriffen die Spitze.
Beide Lager haben ihre Ziele nicht erreicht. Die Regierungspartei wollte eine Zweidrittelmehrheit, womit sie Verfassungsänderungen und vor allem das Verbot der ehemaligen Saakaschwili-Partei „Einigkeit – Nationale Bewegung“ hätte durchsetzen können.
Die Opposition erreichte in den Großstädten eine kumulierte Mehrheit gegenüber der Regierungspartei. Sie wollte die Regierung stürzen, was ihr nicht im Ansatz gelang. Es bleibt abzuwarten, was die Mehrheit in den Großstädten wert ist, denn die oppositionellen Kräfte sind teils sehr zerstritten.
Es sei auch erwähnt, dass im Vorfeld der Wahl eine erhebliche Anzahl erfahrener Maidan-Kämpfer aus der Ukraine einreiste mit dem erklärten Ziel, die Regierung in Georgien zu stürzen.
Die Lage bleibt angespannt in Georgien. Der Westen sucht die Eskalation.
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