Felix Abt: Der Nixon-Schock und Trumps Zölle: Parallele Reaktionen auf militärische Rückschläge
Der Nixon-Schock der frühen 1970er-Jahre und die Wirtschaftspolitik der Trump-Regierung weisen auffällige Parallelen auf, die darauf zurückzuführen sind, wie beide Staatsoberhäupter dem wirtschaftlichen Druck der USA nach kostspieligen Militäreinsätzen begegnet sind. In beiden Epochen hatte Amerika mit systemischen Leistungsbilanzdefiziten zu kämpfen, was zu radikalen Änderungen der Wirtschaftsstrategie führte, um die globale Vorherrschaft zu erhalten.
Felix Abt

Der Nixon-Schock: Die Abkopplung des Dollars vom Gold
Im Rahmen des Bretton-Woods-Systems (1944–1971) waren die wichtigsten Währungen an den US-Dollar gekoppelt, der zu einem Preis von 35 US-Dollar pro Unze in Gold umgetauscht werden konnte. In den späten 1960er Jahren führten jedoch steigende Handelsdefizite der USA und die Forderungen ausländischer Regierungen nach Gold im Austausch gegen Dollarreserven – verschärft durch die massiven Ausgaben für den Vietnamkrieg, die Programme der Great Society und den Wettlauf ins All – zu einer Erschöpfung der US-Goldreserven. Angesichts des schwindenden Vertrauens in den Dollar beendete Nixon 1971 einseitig die Goldkonvertibilität und hob damit Bretton Woods faktisch auf.
Um die globale Rolle des Dollars zu stabilisieren, schlossen Nixons Unterhändler 1974 ein Abkommen mit Saudi-Arabien, das sicherstellte, dass Ölverkäufe in Dollar abgewickelt wurden. Dieses „Petrodollar“-System festigte den Dollar als Weltreservewährung und ermöglichte es den USA, anhaltende Defizite ohne unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenbruch zu finanzieren.
Vietnams Schatten: Wirtschaftliche Überforderung und politische Kurswechsel
Der Vietnamkrieg (1955–1975) erwies sich als entscheidend. Der Konflikt lenkte die industrielle Kapazität der USA in Richtung Militärproduktion, was die zivile Produktion aushöhlte und die Abhängigkeit von Importen verstärkte. In Kombination mit den inländischen Sozialausgaben und den militärischen Investitionen im Kalten Krieg belastete diese Überbeanspruchung die Wirtschaft. 1971 sahen sich die USA mit einer Stagflation konfrontiert – einer toxischen Mischung aus Inflation und Stagnation –, die Nixons drastische Währungsreformen erzwang.
Entscheidend ist, dass der Nixon-Schock vor dem Fall Saigons im Jahr 1975 eintrat. Obwohl der Ausgang des Krieges 1971 immer deutlicher wurde, strebten die USA eine Fassade des „Friedens mit Ehre“ an, um die Realität der strategischen Niederlage zu verschleiern.
Trumps Zölle und das Echo des Ukraine-Krieges
Jahrzehnte später spiegeln Trumps Zölle – insbesondere gegen China – Nixons Unilateralismus wider. So wie Nixon Defizite durch die Abkopplung vom Gold beheben wollte, versuchte Trump, Handelsungleichgewichten und Deindustrialisierung durch Protektionismus entgegenzuwirken. Dahinter verbirgt sich ein weiterer militärischer Sumpf: die Ukraine.
Seit 2022 haben die USA rund 200.000.000.000 US-Dollar Hilfe in die Ukraine gepumpt und gleichzeitig beispiellose Sanktionen gegen Russland verhängt. Doch wie im Vietnamkrieg hat der Krieg nur abnehmende Erträge gebracht. Trotz der parteiübergreifenden Rhetorik über den Sieg der Ukraine ist der Konflikt in eine Sackgasse geraten, und Russland konsolidiert seine Gebietsgewinne. Die Folgen des von Washington angeführten Wirtschaftskrieges – darunter globale Energieunterbrechungen und Inflation sowie die Deindustrialisierung Europas und sinkende Lebensstandards – führen zum Ende des Zusammenhalts im Westen.
Geopolitische Schachzüge: Von Kissingers China-Pivot zu Trumps Russland-Annäherung
Nixons Entspannungspolitik gegenüber China im Jahr 1972 zielte darauf ab, die UdSSR zu isolieren, indem er die chinesisch-sowjetischen Spannungen ausnutzte. Heute spiegeln Trumps angebliche Annäherungsversuche an Russland eine umgekehrte Strategie wider: Er umwirbt Moskau, um ein Gegengewicht zu China zu schaffen. Dabei wird jedoch die sich vertiefende chinesisch-russische Allianz ignoriert, die durch Energieabkommen, gegenseitigen Widerstand gegen Sanktionen und gemeinsame Militärübungen gefestigt wurde. Anders als in den 1970er Jahren, als Maos China Moskau misstraute, macht Putins und Xis „grenzenlose“ Partnerschaft solche Keilertaktiken überflüssig.
Die Auflösung des „Collective West“
Die jüngsten Truppenreduzierungen der USA in Polen und Griechenland signalisieren einen stillen Rückzug aus der Ukraine und spiegeln Nixons Rückzug aus Vietnam wider. Durch die Übertragung der Logistik an europäische Verbündete wie Griechenland und Polen scheinen die USA der Umverteilung von Ressourcen nach Asien Vorrang einzuräumen – eine Anerkennung Chinas, nicht Russlands, als Hauptgegner. Gleichzeitig deuten Trumps Drohungen, die EU-Sanktionen gegen Russland zu umgehen, auf eine größere transatlantische Kluft hin.
Schlussfolgerung: Zyklen von Überforderung und Anpassung
Sowohl der Nixon- als auch der Trump-Schock unterstreichen, wie eine militärische Überforderung die wirtschaftliche Abrechnung beschleunigt. Die Konflikte in Vietnam und der Ukraine, wenn auch unterschiedlich groß, erzwangen kostspielige politische Kurswechsel, um strukturelle Schwachstellen zu beheben. Doch die heutige multipolare Welt erschwert die Strategie der USA: Chinas wirtschaftliche Stärke und die chinesisch-russische Verständigung bieten keine einfachen „Karten“, die man ausspielen kann. Wie 1971 könnte die unausgesprochene Anerkennung einer Niederlage die aktuellen Veränderungen vorantreiben – aber ob Zölle oder Truppenrückzüge den Niedergang aufhalten können, bleibt ungewiss. Die größere Lehre bleibt bestehen: Unhaltbare militärische Verpflichtungen fordern letztlich ihren Tribut in der heimischen Wirtschaft und zwingen die Staats- und Regierungschefs dazu, ihr globales Engagement neu zu definieren, oft abrupt.
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