Diplomatie auf dem Totenbett – vom Friedenspräsidenten zum Kriegstreiber

Die Beteiligung der USA an den Angriffen auf Russland und auf den Iran macht eine Verhandlungslösung dieser Konflikte unwahrscheinlich. Trump, der seinem Volk Frieden versprach, bringt Krieg.

Peter Hänseler

Unglaubwürdiger Trump

Einen Tag vor der zweiten Verhandlungsrunde in Istanbul griff die Ukraine Flugzeuge der strategischen Bomberflotte Russlands mit in Lastwagen versteckten Drohnen, welche nach Russland geschmuggelt wurden, an. Wir berichteten darüber «Operation „Spiderweb“: Angriff der Ukraine und der NATO auf Russland: Ein neues Pearl Harbor? Vollständige Eskalation? Sind die Fanatiker zurück? Fakten und Analyse.» Der militärische Schaden war gering; was übrig blieb war ein Propagandasieg des Westens – mehr nicht. Das Wirtschaftsblatt «Financial Times» bemühte sich am 11. Juni darum nachzuweisen, dass diese Angriffe ohne westliche Hilfe mit KI geführt wurden. Die FT sollte sich wohl besser auf Wirtschaftsnachrichten beschränken – reine Propaganda ohne einen Hauch eines Beweises. Ein müder Versuch die Amerikaner rauszuhalten, ohne deren Hilfe dieser Angriff nicht möglich gewesen wäre.

Kurz darauf folgte ein grosser Angriff Israels auf den Iran. Die «Times of Israel» brüstet sich damit, dass die USA gemeinsam mit den Israelis eine vielschichtige Desinformationskampagne durchgeführt habe, um die Iraner im Glauben zu lassen, dass ein Angriff nicht unmittelbar bevorstehe. Dieser Bericht ist glaubwürdig, da Trump beim Angriff der Israelis auf den Iran Ende Woche nicht einmal den Versuch machte, die Mittäterschaft der USA zu verstecken.

«Ich habe dem Iran wiederholt die Möglichkeit gegeben, eine Einigung zu erzielen. Ich habe ihnen in aller Deutlichkeit mitgeteilt, dass sie „es einfach tun“ sollten, aber egal wie sehr sie sich bemühten, egal wie nah sie dem Ziel kamen, sie konnten es einfach nicht erreichen. Ich habe ihnen erklärt, dass es viel schlimmer werden würde als alles, was sie kennen, erwarten oder gehört haben, dass die Vereinigten Staaten bei weitem die besten und tödlichsten militärischen Ausrüstungen der Welt besitzen und dass Israel über einen großen Teil davon verfügt und noch viel mehr erhalten wird – und dass sie wissen, wie man sie einsetzt. Einige iranische Hardliner haben mutige Worte gefunden, aber sie wussten nicht, was auf sie zukommt. Sie sind jetzt alle tot, und es wird nur noch schlimmer werden! Es gab bereits viele Tote und große Zerstörungen, aber es ist noch Zeit, dieses Gemetzel zu beenden, denn die nächsten geplanten Angriffe werden noch brutaler sein. Der Iran muss ein Abkommen schließen, bevor nichts mehr übrig ist, und das retten, was einst als das iranische Reich bekannt war. Keine Toten mehr, keine Zerstörung mehr, HANDELN SIE, BEVOR ES ZU SPÄT IST. Gott segne Sie alle!»

Donald Trump – 13. Juni 2025

Das ist nicht alles, der US-Außenminister Marco Rubio stritt eine Beteiligung der USA ab, indem er sagte:

«Heute Nacht hat Israel einseitige Maßnahmen gegen den Iran ergriffen. Wir sind nicht an Angriffen gegen den Iran beteiligt, und unsere oberste Priorität ist der Schutz der amerikanischen Streitkräfte in der Region.»

Marco Rubio – 13. Juni 2025

Somit ist erwiesen, dass die Amerikaner sehr wohl ihre Finger in diesem tödlichen Spiel hatten und dass die Trump-Administration es nicht einmal fertigbringt, sich innerhalb ihres eigenen Teams kohärent abzusprechen. Das ist kein Zeichen von Professionalität.

Entwicklung im Nahen Osten unklar

Mit bedrückter Bestimmtheit können wir bestätigen, dass es sehr wohl möglich ist, dass im Nahen Osten das letzte Kapitel der von den USA vom Zaun gerissenen Kriegsserie begonnen hat. Hier sei auf unseren Beitrag «Blutbäder verändern die Welt – Teil 2 – 9/11» verwiesen, wo General Clark 2007 über die echten Absichten und Pläne der USA Auskunft gab:

Die Zielländer waren: Irak, Syrien, Libanon, Somalia, Sudan – und schliesslich der Iran.

Statt fünf Jahre, in denen die USA diese Länder «befrieden» wollten, sind jetzt knapp 25 Jahre vergangen. Aber es scheint so, dass die Amerikaner Netanjahu’s Wunsch, welcher den Iran seit 25 Jahren angreifen wollte, doch noch erfüllt haben.

Netanjahu ist begeistert – Ziel erreicht!

Vor ein paar Wochen stufte ich im Beitrag «Alles ist möglich – leider», den Schwelbrand Iran als nicht kritisch ein. In meiner Analyse ging ich davon aus, dass die Amerikaner nicht naiv genug seien, sich in einen solchen katastrophalen Krieg hineinziehen zu lassen, der auf einem Hirngespinst und Grossreichsfantasien Netanjahus beruht. Möglicherweise war die naive Person ich selbst.

Es ist noch nicht abzusehen, wie viele Eskalationsstufen in den kommenden Tagen überschritten werden. Nach diesem Angriff jedoch, muss der Iran in einer Art und Weise militärisch antworten, dass die Amerikaner und Israelis Existenzängste kriegen. Die Amerikaner bezüglich ihrer Präsenz im Nahen Osten und die Israelis bezüglich ihrer Existenz als Staat. Es scheint so, dass die Iraner grundsätzlich in der Lage wären, den USA und Israel riesige Schäden zuzufügen, da sie – im Gegensatz zu Israel und den USA – über Hyperschallraketen verfügen. Ob sie sich dazu entschliessen und tatsächlich über diese Schlagkraft verfügen, werden wir bald sehen.

«Mit rationalem Denken schreitet man am Totenbett der Diplomatie vorbei direkt auf den Holzweg.»

Die Gefahr, dass sich dieser Konflikt in einen Todeskampf zweier Länder entwickelt, sollte nicht von der Hand gewiesen werden. Netanjahu war schon immer ein Psycho- und Soziopath; der Völkermord in Gaza ist Zeugnis davon. Jetzt ist dieser Grössenwahnsinnige jedoch auch noch politisch und gesundheitlich schwer angeschlagen. Er wird somit nicht das geringste Problem damit haben, den gesamten Nahen Osten, seine eigene Heimat oder sogar die gesamte Welt in Flammen zu setzen.

Die Amerikaner sind bekannt dafür, sich komplett zu überschätzen; die nicht abreissen wollende Serie von verlorenen Kriegen seit 1945 sind Zeugnis dafür. Dazu kommt der unheimliche Einfluss der Zionisten auf die amerikanische Aussenpolitik. Ich werde mich davor hüten, rationale Argumente vorzubringen, um die weitere Entwicklung zu prognostizieren. «Mit rationalem Denken schreitet man am Totenbett der Diplomatie vorbei direkt auf den Holzweg.»

Wie wird Russland reagieren?

Das Vertrauen der Russen in die USA hat durch den ukrainischen Drohnenangriff bereits heftig gelitten, dennoch führen die Russen die diplomatischen Bemühungen weiter, ohne Druck zu verspüren, da die Zeit für Russland spielt. Je länger der Krieg in der Ukraine dauert, desto weniger wird von der Ukraine übrigbleiben.

Die Beziehungen zwischen dem Iran und Russland sind eng. Beide sind Vollmitglieder von BRICS und der SCO und gute Beziehungen sind für beide Länder von Vorteil, auch aufgrund des NSTC (North South Transport Corridor). Russland wird dem Iran in diesem Konflikt beistehen, diplomatisch, logistisch und möglicherweise durch Waffenlieferungen. Kommt es zu einem Krieg zwischen den USA und dem Iran, bezweifle ich, dass die Russen an der Seite Irans in den Krieg eintreten werden, da damit der 3. Weltkrieg zur Tatsache würde.

Wie wird China reagieren?

China ist ebenfalls eng mit dem Iran verbunden, ebenfalls durch BRICS, SCO und Öllieferungen des Irans nach China. Die Abhängigkeit Chinas von Irans Öl ist erheblich, jedoch nicht bedrohlich. China importiert vor allem Öl aus Russland und Saudi-Arabien. China wird dem Iran ähnlich beistehen wie Russland, ein Kriegseintritt an der Seite Irans schliesse ich aus den gleichen Gründen aus, wie ich das bezüglich Russland tat.

Strasse von Hormuz

Falls der Iran die Strasse von Hormuz blockiert, so wird das zu einer Instabilität in den westlichen Finanzmärkten führen, die gefährlich sein könnte. Die Strasse von Hormuz ist der wichtigste Transportweg für Öl auf unserem Planeten. 20% der Weltproduktion fliessen durch diese Meerenge. Bereits am Freitag schoss der Ölpreis zwischenzeitlich um 14% in die Höhe und schloss 7% höher. Falls die Strasse von Hormuz blockiert wird, werden Ölpreise von US-Dollar 150.- bis 200.- herumgereicht. Das wäre für die bereits schon instabilen Finanzmärkte Gift.

Diplomatie auf dem Totenbett

Als Donald Trump seine zweite Amtszeit antrat, versprach er seiner Bevölkerung und der gesamten Welt, dass er nicht nur Frieden bringen, sondern auch Kriege verhindern werde. Das waren nicht nur leere Versprechen, sondern wohl Lügen.

Konnte man über das persönliche Wissen Trumps bei der Drohnenattacke auf Russland noch spekulieren, so liess der amerikanische Präsident bezüglich des Iran die Maske fallen. Die leise Hoffnung in Moskau und Teheran, Donald Trump sei tatsächlich an einer friedlichen Beilegung der Konflikte interessiert, haben sich zerschlagen. Trump möchte zwar schon Vereinbarungen schliessen, aber er bemüht sich nicht um eine diplomatische Lösung, sondern präsentiert Bedingungen, die für die Gegenseiten inakzeptabel sind und «überzeugt» seine Gesprächspartner nicht mit Diplomatie, sondern mit roher Gewalt.

Dazu kommt, dass er den Iran und Russland mit schmutzigen Tricks über den Tisch zieht. Den Iran lässt man im Glauben, dass kein Angriff bevorstehe und der ukrainische Angriff findet am Vortag zu Verhandlungen in Istanbul statt – in vollem Wissen und wohl auch koordiniert durch die Amerikaner.

Der Schaden, den die Israelis im Iran angereichtet haben, scheint beträchtlich zu sein, da zahlreiche hohe Offiziere der iranischen Streitkräfte gezielt getötet wurden. Der Schaden, der in Russland durch die Ukraine angerichtet wurde, ist militärisch nicht von Belang. Den weitaus grössten Schaden nahm jedoch die Diplomatie.

In einem grossartigen Interview mit Judge Napolitano, sprach John Mearsheimer das laut aus, an das sich die Welt gewöhnen muss.

„Jedes Land auf der Welt, das den Vereinigten Staaten vertraut, ist bemerkenswert töricht.“

John J. Mearsheimer – 13. Juni 2025

Henry Kissinger wird folgender treffender Satz zugeschrieben: ““It may be dangerous to be America’s enemy, but to be America’s friend is fatal.”.” („Es mag gefährlich sein, Amerikas Feind zu sein, aber Amerikas Freund zu sein, ist tödlich“).

Neben militärischen Konflikten befeuert Donald Trump auch andere Kriege. Den Handelskrieg mit China und vielen anderen Ländern, den Trump vom Zaun riss, wird schlechte Chancen haben, bald beigelegt zu werden. Trump verkündete zwar vor drei Tagen:

„Unser Deal mit China ist abgeschlossen, vorbehaltlich der endgültigen Zustimmung von Präsident Xi und mir“.

Donald Trump

Das ist jedoch typisches Marketinggeschrei von Donald Trump. Eine Einigung ist noch nicht zustande gekommen und die Begeisterung der Chinesen scheint sich in bescheidenem Rahmen zu bewegen. Die China Morning Post meldet nämlich, dass trotz einer Einladung seines amerikanischen Amtskollegen Donald Trump werde der chinesische Präsident Xi Jinping laut Quellenangaben im September nicht zur UN-Generalversammlung in die Vereinigten Staaten reisen, was die früheste Gelegenheit für einen solchen Besuch gewesen wäre. Wir haben Juni und das chinesische Blatt geht davon aus, dass dieses Treffen wohl im November stattfinden werde. So fühlt sich eine kalte Dusche aus Peking an.

Ich mag bei der Risikoeinstufung bezüglich Iran falsch gelegen zu haben, aber meine Aussagen in unserem Artikel «Mar-al-Lago wird scheitern – ohne Glaubwürdigkeit geht nichts mehr, vom 7. Mai scheinen mehr Aktualität zu erhalten als es vielen lieb ist. Ich vertrete die Meinung, dass das grösste Problem der USA – und des gesamten Kollektiven Westens – die Instabilität der Finanzmärkte darstellen. Die beabsichtigte Neuordnung der weltweiten Wirtschaftsordnung ist lediglich durch Verhandlungen mit vielen Partnern zu erreichen. Die Zeiten, in denen die USA dem Rest der Welt diktieren konnten, was zu geschehen habe, sind vorüber. Die Machtposition der USA während der Verhandlungen zum Bretton-Woods-Abkommen besteht nicht mehr und Donald Trump hat in den letzten paar Tagen gezeigt, dass er Wohlwollen nicht verdient hat.

Fazit

Das Verhalten der Trump-Administration in den letzten paar Tagen bestätigt alle jene Stimmen, welche dem Hegemonen trotz vorgespielter Trendwende aus Washington nicht über den Weg trauten.

Inwiefern ein blutiger jahrelanger Krieg zwischen Israel und dem Iran zu verhindern ist, weiss ich nicht. Die Iraner werden den Amerikanern keineswegs mehr trauen und die Amerikaner werden sich wohl bald hintersinnen, dass sie sich von Netanjahu in diesen Krieg ziehen liessen. Ein Krieg, der nicht nur den Nahen Osten und die westlichen Finanzmärkte nachhaltig schädigen könnte, sondern das Potential hat, über das ich gar nicht schreiben möchte.

Die Russen werden professionell weiterverhandeln, sowohl mit der Ukraine als auch mit den USA. Die Form wird aus russischer Warte gewahrt werden. Die Russen machen sich jedoch keine Illusionen über einen Verhandlungsfrieden. Sie schaffen Fakten auf dem Schlachtfeld und werden zum geeigneten Zeitpunkt die Kapitulationserklärung der Ukraine entgegennehmen.

Der grösste Verlierer in diesem von Donald Trump veranstalteten Schmierentheater wird jedoch langfristig Amerika sein. Selbst die grössten Optimisten werden den USA für lange Zeit nicht mehr vertrauen. Den Realisten war dies schon lange bekannt: Die Geschichte lehrt, dass es kein Land gibt, das mehr Vereinbarungen gebrochen hat als die USA. Von 1778 bis 1871 unterzeichneten die Vereinigten Staaten etwa 368 Verträge mit verschiedenen indigenen Völkern auf dem nordamerikanischen Kontinent. Wie ist das für die Ureinwohner ausgegangen?

Diplomatie auf dem Totenbett – vom Friedenspräsidenten zum Kriegstreiber

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