Die Landtagswahl in Brandenburg – eine Nachbetrachtung

Die Landtagswahl in Brandenburg werden einen lauten Nachhall haben. Die Bundesregierung kann angesichts der Resultate nicht so weitermachen wie bisher. Der erste Knall fand bereits statt.

René Zittlau

Es wurde gewählt

Das vorläufige amtliche Endergebnis

Die Pressekonferenzen am 23. September 2024 zum Ergebnis der Landtagswahl in Brandenburg sind beendet. Natürlich haben alle wieder gewonnen. Mit Ausnahme der FDP, denn 0,83 Prozent der Wählerstimmen, das konnte selbst das Zahlengenie Finanzminister Lindner nicht mehr in irgendetwas Positives verwandeln.

Diese vier Parteien bilden nun den neuen Landtag in Brandenburg:

Quelle: Alle im Artikel präsentierten Wahlergebnisse stammen von der offiziellen Webseite des Landeswahlleiters

Bestimmte Politikkreise wurden auf Grund der Vorwahlprognosen nervös und propagierten hastig und medienwirksam „taktisches Wählen“. Hätten sie auch nur geahnt, wohin das nun im Endeffekt geführt hat, sie hätten es wohl gelassen.

Das parteien- und organisationsübergreifend (Gewerkschaften, Kirchen, usw.) ausgegebene Ziel wurde zwar erreicht, doch aus Sicht der Altparteien das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

CDU-Landeschef Michael Kretschmer rief dazu auf, SPD zu wählen. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Kretschmer ist nach wie vor Chef der CDU in Sachsen. Seine Kollegen der CDU Brandenburg trauten ihren Augen und Ohren nicht.

Es war noch lustiger: Die SPD Brandenburg rief über die örtliche Presse die potentiellen Grünen-Wähler auf, doch lieber die SPD zu wählen. Und die taten ihr den Gefallen in Scharen. Die Grünen wehrten sich dagegen nicht einmal, denn sie vertrauten auf den Wahlkreis Potsdam-1, den sie 2019 bei der letzten Kommunalwahl sicher gewannen und somit eine Besonderheit des Brandenburger Wahlgesetzes nutzten: Wenn eine Partei nur ein Direktmandat gewinnt, zieht sie in Fraktionsstärke in den Landtag ein.

Was sollte schon schiefgehen…? Inzwischen wissen wir es: alles.

Nun kann man die Altparteien hinsichtlich ihrer AfD-Reflexe durchaus als eingespieltes Team betrachten. Doch mit dem oben erwähnten „taktischen Wählen“ haben sie sich übernommen. Zu einer ordentlichen Taktik gehört auch eine Folgenabschätzung.

Die „Taktiker“ haben zwar ihr Ziel hauchzart erreicht, die AfD wurde nicht stärkste Partei. Doch durch das völlig irrationale, die Grenzen jeglichen politischen Anstands und Vernunft überschreitende Taktieren flogen Grüne, Linke und Freie Wähler aus dem Landtag. Damit gewann die AfD an ungeahnter Stärke. Denn sie erlangte durch die ohne Taktieren wohl unmöglich zu erreichen gewesene und vom Mainstream sofort kleingeredete Sperrminorität. Mit ihr lässt sich durchaus Einfluss nehmen.

Nach der Wahl in Thüringen war die Sperrminorität der AfD noch ein ganz großes Thema für jene, die das jetzt in Brandenburg ganz anders sehen.

Grund für das Erreichen der Sperrminorität sind die 22 gewonnenen Direktmandate der AfD, wodurch sie auf mehr als ein Drittel der Sitze im Parlament kam. Die daraus folgende Sitzverteilung bereitet den übrig gebliebenen Altparteien echte Kopfschmerzen. Denn die SPD setzte im Wahlkampf auf die Fortsetzung der bisherigen Koalition mit CDU und Grünen. Die CDU wollte jedoch selbst an die Macht. Und beide schlossen eine Zusammenarbeit mit BSW und AfD aus.

Die CDU hat Koalitionsverhandlungen mit der SPD erst einmal abgelehnt: Sie habe keinen Wählerauftrag. BSW-Chef Crumbach meinte: Sollen SPD und CDU erst mal machen.

Wir können gespannt sein, wie der gordische Knoten gelöst werden kann. Wahrscheinlich muss nicht nur eine Partei ihre Wahlversprechen aufgeben. So wie jedes Mal.

Der Ministerpräsident verliert seinen Wahlkreis

Ministerpräsident und SPD-Chef Woidke verkündete gar öffentlich: wenn die AfD stärkste Partei wird, stehe er nicht mehr zur Verfügung. Nun kann sich jeder aussuchen, wie er das gemeint hat: Im Land gewann die SPD knapp. In seinem Wahlkreis verlor Woidke sein Direktmandat – an die AfD. Diese sieben Stimmen Unterschied, die die Direktwahl Woidkes verhinderten, wirken um so schwerer in jeder Hinsicht, da sich der SPD-Chef des Landes Brandenburg in seinem Wahlkampf in einer rechtlich strittigen Art und Weise von der Kampagnen-Plattform „Campact“ unterstützen ließ.

Seltsamkeiten im Zahlenwerk

Bereits im Vorfeld der Wahl wurde insbesondere von der AfD immer wieder auf die Unregelmäßigkeiten bei der Zählung der Briefwahlstimmen hingewiesen. Und in der Tat hinterlässt die Analyse des Zahlenwerks einige große Fragezeichen. Denn das Stimmenverhältnis von Urnen- und Briefwahl ist in Teilen fragwürdig, ja logisch nicht erklärbar:

Die für die AfD gezählten Briefwahl-Stimmen fallen deutlich aus dem Rahmen. Ebenso die der CDU. Die für die CDU äußerst positiv ausfallenden Stimmen-Ausschläge werden gemeinhin damit begründet, dass es ihr erlaubt war, in den Alten- und Seniorenheimen vor dem Wahltag auf Stimmenfang zu gehen. Diese Erlaubnis galt für alle Parteien – außer für die AfD.

Die AfD-Kritik an dieser Praxis wurde von der Politik abgebügelt.

Zumindest gibt es für den CDU-Ausreißer somit eine plausible Erklärung. Für die unlogischen Ausschläge bei der AfD gibt es sie nicht. Die AfD-Wähler, die per Briefwahl abstimmen, wählen also im Gegensatz zu allen anderen Parteien anders, zum Nachteil der AfD.

Doch damit der Seltsamkeiten nicht genug. Die AfD-Wähler tun das in allen Wahlkreisen, wie das Beispiel Cottbus im Folgenden zeigt, und das, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, sowohl bei den Erst- als auch bei den Zweitstimmen:

Diese Eigenheit beschränkt sich ausschließlich auf die AfD-Wähler. Denn schaut man auf die Ergebnisse der Europa- und Kommunalwahlen von Juni 2024 in Brandenburg, so zeigt sich dort dasselbe Phänomen:

Ein Rückblick auf die Ergebnisse der letzten Brandenburger Landtagswahl 2019 böte sich an. Allerdings konnte der Autor dazu kein entsprechendes Zahlenmaterial finden.

Ausblick in eine unruhige politische Zeit

Die Landtagswahl in Brandenburg wird sich auf die Bundespolitik auswirken, ob das die Bundespolitik will oder nicht. SPD, Grüne und FDP können sich durch die Bank keine vorgezogenen Neuwahlen leisten. Doch genau das wird inzwischen immer wahrscheinlicher.

Am 25. September 2024 – nur drei Tage nach der Wahl – tritt der Bundesvorstand der Grünen zurück. Er bleibt geschäftsführend bis zum nächsten Parteitag im Amt. Der Vorstand der Grünen Jugend folgte dem Bundesvorstand der Mutterpartei am Abend desselben Tages nicht nur in diesem Schritt, er kündigte im selben Schreiben an, gleich ganz aus der Partei auszutreten.

Ebenfalls am 25. Spetember 2024 fordert Alexander Dobrindt in einem Interview bei RTL- ntv den Rücktritt der Bundesregierung. Die CDU/CSU, so Dobrindt, bereitet sich auf vorgezogene Neuwahlen vor.

Es wird nun kein Halten mehr geben und das Ende der Regierung Scholz nur noch eine Frage der Zeit sein. Für die Grünen und die FDP dürfte es in diesem Fall um die blanke Existenz als politische Kraft gehen. Die Tage der Linken als Partei sind gezählt.

Auch für die SPD sähe es bei diesem Szenario nicht rosig aus. Es könnte sie innerlich zerreißen. Scholz und Pistorius ziehen an verschiedenen Enden des Tischtuches. Kühnert und Esken sind viel zu schwach, um die Fronten zu glätten und werden dabei verlieren. Innenministerin Faeser tut dazu alles, um die Werte des Grundgesetzes auszuhöhlen, die auf Meinungs- und Pressefreiheit beruhen. All das wird zu massiven Stimmenverlusten im Bund führen.   

Und die CDU? Sie muss sich überlegen, mit wem sie im Falle entsprechender Wahlergebnisse zu regieren gewillt und in der Lage ist. Alte, überholte Gewissheiten werden ihr dabei nicht helfen.

Die drei Landtagswahlen im September 2024 im Osten Deutschlands stellen eine Zäsur in der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung Deutschlands seit 1990 dar. Die politische Landschaft hat sich in einer Weise polarisiert, dass bisher für unmöglich gehaltene Koalitionen und / oder Kooperationen absolut denkbar sind.

Sollten die politischen Kräfte der Altparteien und neuer Bündnisse sich dem Wählerwillen weiterhin verweigern, steht das Land vor einer Zerreißprobe, die die so schon sehr fragil gewordene politische und gesellschaftliche Stabilität endgültig zerstören könnte.

In welcher gefährlichen Hybris die politische Führung Deutschlands lebt, zeigt diese Spiegelmeldung vom 22. September 2024, dem Morgen des Wahltages in Brandenburg. Auch wenn auf Grund der neuesten Entwicklungen Deutschland eine Kanzlerkandidatur einer Ricarda Lang erspart bleiben wird, so offenbart die Aussage dieser Frau, dass ihre Realität und somit die der gesamten Spitze der Grünen eine völlig andere, den allermeisten Menschen völlig fremde ist.

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11 Kommentare zu „Die Landtagswahl in Brandenburg – eine Nachbetrachtung

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